Alle, die den gemäßigten mitteleuropäischen Winter bereits als kalt empfinden, werden bei den folgenden Zeilen vermutlich schaudern. Aber tatsächlich leben in Russland Menschen dauerhaft an Orten, an denen buchstäblich der Atem gefriert.
Wenn bei und das Thermometer einmal weniger als minus 15 Grad anzeigt, dann kann man getrost von Kälte sprechen. In der Stadt Werchojansk in der sibirischen Republik Sacha, und besonders im nahegelegenen Dorf Oimjakon, werden dagegen solche Temperaturen schon als erste Frühlingsboten gesehen. Hier befindet sich der sogenannte Kältepol mit dem kältesten Ort der nördlichen Hemisphäre.
Durchschnittlich herrschen in Oimjakon den Winter über um die minus 40 Grad, die niedrigste Temperatur wurde mit gut minus 70 Grad festgehalten. Zugegeben, lange hält man es im Freien dort auch nicht aus, denn für den menschlichen Körper werden solche Temperaturen schon bald zu einer ernsthaften Gefahr. Trotzdem, selbst wenn man es kaum glauben mag, wohnen rund 460 Menschen ganzjährig an diesem unwirtlichen Ort.
Leben in der ewigen Kälte
Bei den rund 4.000 Einwohnern von Pewek, einer Stadt im Autonomen Kreis der Tschuktschen, ist es da schon deutlich wärmer. Hier hat es im Winter durchschnittlich „nur“ minus 26,6 Grad Celsius. Allerdings beträgt die jährliche Durchschnittstemperatur am Rand des Arktischen Ozeans auch nicht mehr als minus 9,6 Grad. Selbst im Sommer klettert in der nördlichsten Stadt Russlands das Thermometer selten über die Zehn-Grad-Marke.
Nahezu ebenso kalt ist es in Dudinka im Krasnojarsker Gebiet. Insgesamt zählt man hier, 300 Kilometer nördlich des Polarkreises, an 280 Tagen im Jahr Frost und die können im Winter locker minus 50 Grad erreichen. Allerdings ist es hier im Sommer merklich wärmer als in Pewek, die Temperatur steigt auf bis zu 15 Grad Plus. In der 22.000 Einwohner zählenden Stadt, die für Ausländer gesperrt ist, kommt es, bedingt durch den Jenissei, zu häufigen Niederschlägen.
Die 270.000 Einwohner von Jakutsk können damit prahlen, bei durchschnittlich 8,8 Grad in der kältesten Großstadt zu leben. Hier lässt man Motoren ab Oktober besser nicht ausgehen, da sie bei den Wintertemperaturen von minus 50 Grad wohl erst im April wieder anspringen würden. Jedoch hält die Natur in Jakutsk eine ihrer besonderen Launen parat: Im Sommer kann es durchaus über 40 Grad heiß werden, was somit einem Temperaturunterschied von fast hundert Grad entspricht.
Pelztierjagd und Industrie
Wenn man so will, ist die Republik Sacha im Nordosten Russlands ohnehin so etwas wie der „Kühlschrank“ des Landes, denn auch in Wiljuisk fällt die Temperatur im Winter regelmäßig auf bis zu minus 40 Grad. Lediglich den Sommertemperaturen von bis zu 24 Grad ist es zu verdanken, dass der Jahresdurchschnitt doch noch bei plus 8,2 Grad liegt. In der Umgebung der gut 10.000 Einwohner zählenden Stadt wird heute noch, wie schon im 17. Jahrhundert, Pelztierjagd betrieben.
Vermutlich sind es die für Russland relativ hohen Gehälter die es in Norilsk zu verdienen gibt, der einzige Grund, dass sich über 175.000 Menschen nicht davon abhalten lassen, lange und kalte Winter auf 500 Meter durchgefrorenem Permafrostboden zu ertragen. Jedes Jahr kommen in Norilsk auf jeden Einwohner etwa zehn Tonnen Schnee. Durch ihre Lage nördlich des Polarkreises können sogar im Sommer manchmal leichte Fröste in der Stadt auftreten.
Auf Grund der hier angesiedelten Nickel-Industrie gehört Norilsk und das Umland zu den am stärksten verschmutzten Regionen Russlands. Der Schnee legt etwa sieben bis neun Monate im Jahr einen gräulichen Teppich über das Land. An 130 Tagen fegen Blizzards über die Stadt hinweg, deshalb zählt Norilsk zu den windigsten Siedlungen der Erde. Im Januar beträgt das Mittel minus 28 Grad und auch die Sommer sind mit durchschnittlich 10,7 Grad eher kühl.
Außer den eisigen Temperaturen haben die vorgestellten Orte zudem eine weitere Gemeinsamkeit: Neben den indigenen Völkern, die sich vorrangig der Rentierzucht widmen, waren es seit der Zarenzeit vor allem Strafgefangene, die diesen Siedlungen ihr Leben einhauchten. Aus der Kälte gab es für die meisten ohnehin keinen Weg mehr zurück.
[mb/russland.REISEN]