„Wedutschi“: Tschetscheniens Skigebiet zwischen Anspruch und Wirklichkeit

„Wedutschi“: Tschetscheniens Skigebiet zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Seit einem Jahr herrscht Hochbetrieb auf den Skipisten der Republik Tschetschenien und die ersten Tage der neuen Saison verliefen über alle Erwartungen. Das behaupten zumindest die Verantwortlichen des Ganzjahres-Resors „Wedutschi“. Die Bevölkerung der Region wagt dies jedoch in Frage zu stellen.

„Ich habe einen Plan gesehen, wie sich das Resort entwickeln wird – das ist großartig“, schwärmte vor fünf Jahren der damals amtierende Abfahrtsmeister der Region Swerdlowsk, Andrej Polujachtow, als das Skigebiet „Wedutschi“ noch in den Kinderschuhen steckte. Erst kürzlich jubelte Rustam Tapajew, stellvertretender Generaldirektor des „North Caucasus Resorts JSC“, über tausend Touristen in den ersten fünf Tagen.

„In den ersten fünf Tagen des neuen Jahres haben bereits über tausend Touristen das Resort besucht. Einer kommt, um die ersten Skikurse auf den Kinder- oder Übungspisten zu absolvieren, andere fahren mit dem Sessellift, dem einzigen in der Tschetschenischen Republik. Machen Sie wie sie einen Spaziergang durch das Resort, seien Sie an der frischen Luft und bewundern Sie die Aussicht auf die Berge“, strahlte Tapajew den Medien entgegen.

Weltklasse-Projekt“ buhlt um Popularität

Besagter Lift ist ein viersitziger Sessellift, der seit Januar 2018 seine 836 Meter lange Runde am Südhang eines Kammes im Daneduk-Gebirges dreht. „’Wedutschi‘ ist ein Weltklasse-Projekt, und ich bin mir sicher, dass es nicht nur bei Einwohnern der Russischen Föderation, sondern auch im Ausland populär werden wird“, sagte der Präsident der Tschetschenischen Republik, Ramsan Kadyrow, bei der Eröffnungszeremonie für Lift und Piste.

Pro Stunde können schon jetzt bis zu 1.200 Touristen befördert werden. Weitere Lifte und Seilbahnen mit einer Gesamtlänge von drei Kilometern sowie die dazugehörige Infrastruktur sollen bis 2020 in Betrieb genommen werden, um die einzelnen Skipisten miteinander zu verbinden. Bis Ende 2019 sollen nach Vorstellung der Betreiber rund 485 neue Standorte mit Unterkünften bei unterschiedlichem Komfort für die Gäste zur Verfügung stehen.

Im Tourismus- und Funktionscenter der „Weduk VTRK“ sowie dem angeschlossenen Hotel sollen künftig etwa 420 Personen ihr Einkommen finden. Da „Wedutschki“, das Resort mit dem Edelweiß-Emblem, von Anfang an als ganzjähriges Skigebiet mit den unterschiedlichsten Schwierigkeitsgraden konzipiert wurde, schon heute wirbt man mit einer Pisten-Gesamtlänge von fünfzehn Kilometern und einem Snowpark, erscheinen solche Zahlen nicht zu hoch gegriffen.

Plädoyer für Kunstschnee

Rustam Tapajew, der Herr über die Pisten von „Wedutschi“, erklärt unterdessen, warum er Kunstschnee sogar im Winter dem natürlichem vorzieht: „Der Kunstschnee ist bequemer als der Naturschnee – er ist dicht, gleichmäßig und wird nicht vom Wind weggeweht. Und er haftet sich nicht an Skier oder Snowboards. Daher können die Gäste des Resorts schon bald die Pisten mit den höheren Schwierigkeitsgraden hinabfahren“.

Hört man die Stimmen der Einheimischen, so drängt sich der Gedanke auf, dass sich Tapajew lediglich einen ärgerlichen Umstand schönredet. „Es gibt hier ohnehin schon wenig Schnee. Das Wetter ist tagsüber sehr mild, deshalb sind im Resort jede Nacht die Schneekanonen in Betrieb. Letztes Jahr wurde zur Eröffnung des Resorts sogar Schnee auf Lastwagen hierher gebracht“, erinnern sich die Einwohner der Region Itum-Kalinski.

 

Recht anfreunden können und wollen sie sich nicht mit dem tschetschenischen Prestigeobjekt. Zwar habe das „Hotel Edelweiß“ eine ordentliche Küche und der Skipass ist günstig, dafür seien jedoch zu wenige Leute im Resort, sagen sie hier. „Meistens kommen Leute aus anderen Regionen mit Kindern für ein paar Stunden. Was für einen Sinn macht eine Reise hierher, wenn Sie nicht Ski fahren können? Da ist es doch besser, sich gleich einen anderen Ort zur Erholung zu suchen.“

Erholungsort ohne Verkehrsanbindung

Von Grosny aus schlängelt sich lediglich eine schmale Straße bis zum Resort „Wedutschi“. Die Fahrzeit mit dem Auto beträgt rund zwei Stunden. Die Abgeschiedenheit von der Hauptstadt der Republik und die schlechte Zufahrtsstraße sind in der Tat nicht förderlich, um Touristen in Scharen herzulocken. „Für diejenigen, die die Region besuchen möchten, wurde ein Busservice eingerichtet. Der Fahrpreis beträgt 250 Rubel pro Person und Strecke“, kontert das örtliche Tourismusamt.

„Es war von Anfang an eine unüberlegte Entscheidung, hier ein Skigebiet zu errichten. Das Problem ist, dass wir, im Gegensatz zum Vedeno-Viertel, wenig Schnee haben. Was ist ein Skigebiet ohne Schnee? Das sind beträchtliche Kosten! Ich bezweifle sehr, dass sich das Resort auf absehbare Zeit bezahlt machen wird „, erklärt Hassan, ein ausgebildeten Ökonom, der hier lebt. Er bringt auf den Punkt, was vielen Einwohnern hier aufstößt.

 

Mehr als eintausend Besucher will das Tourismusamt für die erste Woche der Saison 2019 verbucht haben. Eine Zahl, die sowohl von den Mitarbeitern des Resorts als auch von den Anwohnern der Region in Frage gestellt wird. „Wir haben 86 Zimmer im „Hotel Edelweiß“, aber es gab bisher keinen Tag, in dem sie alle belegt waren“, verrät ein Mitarbeiter der Zeitung „Kawkaskj Usel“ mit der Bitte um Anonymität.

Tagesurlauber bevölkern die Pisten

„Ich habe in den letzten Tagen keine große Anzahl von Autos oder Bussen mit Touristen gesehen, ebenso wenig wie einen PKW-Fluss. Es gibt zwar Besucher, aber bisher sind das nur wenige“, zitiert die Zeitung einen Bewohner des Schatoj-Bezirks. „Touristen waren da, aber nur ein paar Dutzend Leute“, bestätigt ihn ein Besucher des Resorts, der eigentlich mit einem Freund snowboarden wollte, wegen Schneemangels jedoch nach nur einem Tag wieder abreiste.

An den Kosten, die auf die Wintersportler zulommen, kann es nicht liegen: Der Preis für einen Tagespass für sämtliche Pisten beträgt für eine Person ab 18 Jahren 400 Rubel und für ein Kind von bis dreizehn Jahren 200 Rubel. Für Kinder unter fünf Jahren, für Rentner über 75 Jahre und für Schwerbehinderte ist die Nutzung der Seilbahn kostenlos. Tatsächlich gilt „Wedutschi“ derzeit als eines der billigsten Skigebiete Russlands.

Bis Ende 2025 sollen 16 Milliarden Rubel in die Fertigstellung des Resorts investiert werden. Das Skigebiet soll dann über neunzehn Pisten mit einer Gesamtlänge von 46 Kilometern verfügen. Man spricht schon jetzt optimistisch von einer Kapazität mit 12.000 Skifahrern pro Stunde, die in „Wedutschi“ sowohl ihre Winter- als auch die Sommerferien verbringen sollen. Sollte Kadyrows Coup funktionieren, muss bis dahin allerdings noch viel Kunstschnee aus Kanonen rieseln.

[mb/russland.REISEN]