Über Grenzen: Auf der Enduro durch Eurasien

Über Grenzen: Auf der Enduro durch EurasienFoto: © www.über-grenzen.de

Ein Buch, ein Film und eine abenteuerliche Reise, zu der sich Margot Flügel-Anhalt aufgemacht hat, um die Grenzen von Europa nach Zentralasien, aber auch ihre eigenen auszuloten, stellen das Material zu einer Dokumentation, die als Gesamtkonzept ihresgleichen sucht.

„Jederzeit wieder“, antwortet Margot, eine nicht allzu hoch gewachsene toughe Frau, auf die Frage, ob sie sich vorstellen könne, diese Strapazen ein weiteres Mal auf sich zu nehmen. 18.000 Kilometer hat sie in 117 Tagen auf ihrer 125er Honda Enduro Geländemaschine zurückgelegt – von ihrer nordhessischen Heimat über Osteuropa, Russland und Kasachstan bis ins Pamirgebirge und durch die Bergwelt Zentralasiens und den Iran wieder zurück.

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An sich wäre dies nicht sonderlich spektakulär, schon viele Biker sind diese Tour vor ihr gefahren. Und doch ist etwas anders: Margot hat sich mit 64 Lebensjahren zum ersten Mal auf ein Motorrad gesetzt und ist alleine drauflos gefahren, einfach mal so. Sie hatte nicht einmal einen richtigen Motorradführerschein dabei, den hat sie erst nach ihrer Reise gemacht, sondern ihren alten „grauen Lappen“, der damals Krafträder bis 125 Kubikzentimeter Hubraum gerade noch so mit einschloss.

Der Aufbruch ist das Schwierigste

„In Richtung Osten kommt man einfach weiter, als nach Westen“, sagt Margot und ihre Augen blitzen dabei. „Im Westen stehst du bald am Meer und es geht nicht mehr weiter“, in der anderen Richtung fand sie, nach was sie gesucht hat – die Weite. Die Idee zu dieser Fahrt kam ihr vor einigen Jahren, als sie in der Transsibirischen Eisenbahn nach Ulan Ude, im Südosten Sibiriens, unterwegs war. Da war ihr bereits klar: „Ich komme wieder!“

„Allerdings“, und sie lacht, „würde ich beim nächsten Mal noch weitere Schraubenschlüssel mitnehmen“, denn auch ihre Enduro kam an ihre Grenzen. Bei Stürzen gebrochene Bremshebel gehörten schon bald zum Alltag ihrer Reise, der Kettenantrieb war durch das häufige Nachspannen kurz vor der Aufgabe. „Wenn ich an meine eigenen Grenzen kam, hat mich das Lächeln der Menschen weitergetragen, die mir unterwegs begegnet sind“, sagt sie.

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Ohnehin haben diese Begegnungen, sei es mit Einheimischen, die mitunter unter extremsten Bedingungen in einer lebensfeindlichen Umgebung leben, als auch mit anderen Fernreisenden, die ihr unterwegs zur Seite standen, einen sehr hohen Stellenwert für sie. Sie nennt sie „ihre Schutzengel“. So auch den polnischen Biker, der ihren, bei einem Sturz arg lädierten, Fuß mitten im Nirgendwo verarztete.

Nicht ohne meine Schutzengel

Für immer dankbar, resümiert Margot, sei sie all denjenigen, die ihr Wasser, Unterkunft, Essen, technische Hilfe und Einblick in ihre besonderen Leben geschenkt haben. Gleichzeitig schwärmt die lebensbejahende Rentnerin vom unfassbaren Wunder der zentralasiatischen Bergwelt und den Wüsten, die sie durchquert hat. „Das prägt sich ein“, weiß sie jetzt nach ihrer Tour. Wüsten bieten keinen Schutz, aber vertreiben auch niemanden, erklärt sie die Faszination in ihrem Buch.

„Über Grenzen – Freiheit kennt kein Alter“ heißt das im DuMont Reiseverlag erschienene Buch zum Film, der Margots Reise dokumentiert. Dass einmal ein breites Kinopublikum Anteil an ihrem Motorradabenteuer haben soll, war ursprünglich eigentlich gar nicht vorgesehen. Erst kurz vor ihrer Abfahrt kamen Johannes Meier und Paul Hartmann, Weggefährten aus gemeinsamen Theatertagen, auf die Idee, einen Roadmovie zu produzieren.

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Mit zwölf Tagen Resturlaub ausgestattet, flogen die beiden Filmemacher schließlich nach Kirgistan, um sich Margot ein Stück ihres Weges anzuschließen. Bis dahin hatte sie bereits 7.000 Straßenkilometer zurückgelegt. Neben der Filmausrüstung im Gepäck der Beiden: Bremshebel! „Margot sagte, es wäre sommerlich und Steppe und all das“, erinnert sich Paul, „und plötzlich stand ich im Schneematsch in der Kälte.“

Eindrücke die unter die Haut gehen

Nach einem Wetterumschwung begann die Fahrt über den Pamir-Highway eine dramatische Wende zu nehmen. Die staubige Piste über Geröll und Staub – inzwischen eine aufgeweichte Schlammspur mit schmierigen Fahrrillen. Dem Filmteam gelangen mächtige Aufnahmen, die den Zuschauer fesseln und die Strapazen dieser Etappe spürbar machen. „Das Buch und der Film haben mir dabei geholfen, diese Reise erst einmal zu verarbeiten“, sagt sie hinterher.

Insgesamt, man traf sich auf der Rückfahrt im Iran noch einmal, entstanden schließlich zusammen mit Margots Aufnahmen 234 Stunden Material für den Film. Darunter auch ihr folgenschwerer Sturz, der Paul für ein kurzes Stück zum Biker machte. „Er war der Einzige, der in meine Klamotten passte“, erklärt sie süffisant. „Und ich kann jetzt sagen, ich habe am Hindukusch Motorradfahren gelernt“, ergänzt Paul.

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„Ich bin aufgebrochen, um Dinge zu sehen und Menschen und Gegenden zu erleben, die mich so fassungslos machen.“ Dieser Satz steht stellvertretend für Margots Ehrgeiz, aber auch für ihre Ergriffenheit. Für die Momente, in denen ihr klar wurde, wie klein der Mensch in all seinem Streben tatsächlich ist. „Der Aufbruch ist das Schwierigste.“

Das Buch zum Film:

Margot Flügel-Anhalt, „Über Grenzen – Freiheit kennt kein Alter“, DuMont Reiseverlag 2019, 288 Seiten, zahlreiche farbige Abbildungen, ISBN: 978-3-7701-6695-4

Der Film:

„Über Grenzen – Der Film einer langen Reise“, Regie Johannes Meier und Paul Hartmann, Laufzeit 114 Minuten

Der Film wird derzeit in ausgewählten deutschen Kinos gezeigt und wird zu einem späteren Zeitpunkt auch als DVD erhältlich sein.

[mb/russland.REISEN]