Tausende WM-Touristen nicht mehr aus Russland ausgereist

Tausende WM-Touristen nicht mehr aus Russland ausgereistFoto: © Michael Barth

Das russische Innenministerium forscht derzeit zusammen mit den Grenzbehörden nach rund 5.500 Personen, die mit einer Fan-ID visumfrei nach Russland kamen, jedoch offiziell nicht wieder ausgereist sind. Wo die WM-Touristen abgeblieben sind weiß offenbar niemand.

Was war das für ein großes Hallo, als fast dreieinhalb Millionen Gäste aus dem Ausland während der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 über zwölf russische Städte herfielen, um gemeinsam eine ausgelassene und dennoch friedvolle internationale Party zu feiern. 650.000 dieser Ausländer, so bestätigen es die Zahlen der FIFA sowie der staatlichen Tourismusbehörde Rostourism, kamen mit einer sogenannten Fan-ID, die es Inhabern von Eintrittskarten ermöglichte, visumfrei nach Russland einzureisen.

„Während der Weltmeisterschaft 2018 reisten 650.000 Ausländer mit einer speziellen Zuschauerkarte in die Russische Föderation ein. Die meisten von ihnen waren gesetzestreu und verließen das Land rechtzeitig. Am 31. Dezember des vergangenen Jahres waren noch etwas mehr als 12.000 Tausend von ihnen einfach nicht ausgereist und immer noch hier“, schilderte Andrej Kajuschkin, der stellvertretenden Leiter der Migrationsabteilung des russischen Innenministeriums, noch vor kurzem seine Malaise.

Fieberhafte Suche nach den „Illegalen“

Das Innenministerium hatte im vergangenen Jahr, quasi als Feldversuch, den Besitzern dieser offiziellen Fanpässe gestattet, ohne Erteilung eines Visums bis Ende des Jahres nach Russland zu reisen. Mittels dieses Entgegenkommens, so der Gedanke, sollte der Tourismus im Land angekurbelt werden. Zwar blieb der überwältigende Erfolg im Zeitraum nach der großen Fußballsause aus, jedoch hat man scheinbar nicht damit gerechnet, dass der Schuss auch nach hinten losgehen könnte.

Foto: © Michael Barth

Nun sollen diese, mittlerweile illegal, im Land verbliebenen Personen bis zum 30. März dieses Jahres identifiziert werden, damit sie ausgewiesen werden können. Immerhin dürfte Kajuschkin schon ein kleiner Stein vom Herzen gefallen sein, denn durch die Zusammenarbeit des Innenministeriums mit dem Inlandsgeheimdienst FSB sei der noch zu ermittelnde Personenkreis inzwischen auf etwa 5.500 WM-Touristen geschrumpft, gaben die Behörden vor kurzem offiziell bekannt.

Auch in den Heimatländern der „Illegalen“ laufen die Ermittlungen nach den verschwundenen Fußballfans auf Hochtouren. „Vermutlich haben nicht alle Schweizer das Land verlassen. Jetzt suchen Moskau und Bern nach unseren Staatsangehörigen. Denjenigen, die gegen die russischen Aufenthaltsbestimmungen verstoßen, droht eine Geldstrafe. Darüber hinaus kann es bei der Ausreise und nachfolgenden Einreisen Schwierigkeiten geben“, hieß es Mitte Januar in einer Stellungnahme des Schweizer Außenministeriums.

Vielleicht der Liebe wegen“

Demnach sollen sich laut dem Ministerium noch 81 Eidgenossen, nach Ablauf der Frist als „illegale Einwanderer“, in Russland aufhalten. Dasselbe Schicksal aus dem gleichen Grund erwartet auch rund 500 Argentinier, deren Ausreise ebenfalls nirgendwo registriert worden ist. Auf die Frage, wo sie sich befinden könnten, musste der russische Botschafter in Argentinien, Dmitri Fejoktistow, bislang passen. Insgesamt reisten etwa 40.000 Argentinier nach Russland, um dem peinlichen Achtelfinalaus ihrer „Albiceleste“ beizuwohnen.

Foto: © Michael Barth

„Wir haben sie irgendwohin verloren“, sagte der Botschafter resigniert über die Abgängigen. Vielleicht hat sich jemand in Sibirien verliebt, vielleicht hat er sein eigenes Geschäft eröffnet, ich weiß es nicht“, kann er dem Verlust zumindest noch eine humorvolle Note abringen. Vielleicht, weil er sich dessen sicher sein kann, dass die drei schwarzen Schafe, die eine Russin nötigten während der WM obszöne Phrasen auf Spanisch zu skandieren, nicht unter den Gesuchten befinden können. Sie wurden mittlerweile mit einem weltweit gültigen, zweijährigen Stadionverbot belegt.

So wie es scheint haben ein paar Tausend Touristen den russischen Präsidenten Wladimir Putin ein wenig zu wörtlich genommen, als er betonte, dass die Ausrichtung des Turniers dazu beigetragen habe, die Stereotypen von Ausländern in Bezug auf Russland zu zerstören und eine Welle echtem Interesses an den Bewohnern des Landes zu wecken. Die Suche nach den Verschwundenen geht unterdessen fieberhaft weiter.

[mb/russland.REISEN]