St. Petersburg: Luftschutztürme als Aussichtspunkte

St. Petersburg: Luftschutztürme als Aussichtspunkte

Schon lange sind der St. Petersburger Stadtverwaltung die beliebten, jedoch illegalen Ausflüge über die Dächer der Stadt ein Dorn im Auge. Obwohl die meisten Zugänge bereits versperrt wurden, finden selbsternannte Tourguides immer wieder Luken und Fenster, durch die sie ihr Klientel in gefährlich luftige Höhen geleiten. Nun bietet die Stadt ehemalige Luftschutztürme als Alternative an.

„Türme statt Dächer“ lautet der Vorstoß der Stadtverwaltung, um die illegalen und zudem gefährlichen Spaziergänge hoch über der einstigen Zarenstadt endgültig zu unterbinden. Wassili Osipow, der Vorsitzende der Behörde bestätigte gegenüber den Medien Diskussionen über die Nutzung ehemaliger Luftschutzaufbauten auf den Dächern der Stadt. Konkret handelt es sich um vorerst fünfzehn von insgesamt rund hundertfünfzig dieser Objekte.

Diese „MPWO-Türme“, wie sie heute noch genannt werden, wurden ab den frühen Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts als Posten für die Luftüberwachung sowie der Frühwarn- und Meldetruppen auf Dächern der Stadt Leningrad errichtet. Nach Angaben des Katasteramtes sind in St. Petersburg ursprünglich 165 solcher Dachaufbauten erfasst, von denen acht bereits als unwiederbringlich verloren gelten.

Aufgelassene Relikte aus dem Krieg

Bei diesen „Türmen“ handelt es sich eher um Kästen aus Ziegelsteinen, die auf den Dächern der höchsten Gebäude aufgesetzt wurden. Üblicherweise hatten sie einen oktaedrischen Grundriss, allerdings finden sich manchmal auch quadratische oder runde Objekte. An jeder Wand befand sich ein Sichtfenster und um den Beobachtungsposten herum wurde ein runder Balkon errichtet. Über eine Tür waren die Aufbauten mit dem Inneren des Gebäudes verbunden.

Nach Kriegsende hatten diese Luftschutzeinrichtungen ihre Notwendigkeit verloren und wurden schließlich im Jahr 1955 aus den Liegenschaften des Militärs und des Zivilschutzes getilgt. Seitdem waren die Türmchen sich selbst überlassen, der heutige Zustand ist dementsprechend. „Sie sind seit mehreren Jahrzehnten ohne Aufsicht, das Innere ist verwahrlost und leer“, schilderte der Fotograf Leonid Magratschjow dem St. Petersburger Stadtportal „Fontanka“ seine Eindrücke.

„Die Backsteine bröckeln an den meisten Stellen, die Eisenplattformen und die Geländer um die Türme herum rosten. Aber die Luken in die Treppenhäuser der Gebäude sind in der Regel noch intakt“, weiß Magratschjow durch seine Streifzüge nach den besonderen Fotomotiven in der Stadt an der Newa. Die meisten dieser Beobachtungsposten ließen sich restaurieren und könnten als Aussichtsplattformen dienen, vertraut er ganz auf die Stadtverwaltung.

Maroder Zustand

Vorrang hätten Türme mit guter Sicht und einem separaten Eingang über die Treppe, ohne die gemeinsame Eingangstür zu tangieren. Davon gebe es etwa fünfzehn, heißt es, einen beispielsweise direkt an der Moika. Der Hauptvorteil gegenüber den Dächern sei die Sicherheit, so die Verwaltungsbehörde. Sie hätten einen bequemen Zugang zum Dachboden, bergen keine gefährlichen Bereiche und sind obendrein mit Schutzwänden versehen.

Die nicht unerheblichen Kosten zur Reparatur der Plattformen müsse ausschließlich von Investoren getragen werden, zu deren Aufgabe auch gehört, zunächst die Zustimmung der Mieter und Hauseigentümer einholen. Bisher stehen nur die Erfahrungen eines einzigen Investors zur Verfügung. „Panoramic Roof“ ist seit zwei Jahren der Betreiber des ersten legalen Daches am Ligowski Prospekt in St. Petersburg.

Die Gründerin des Unternehmens, Anastasia Krasitskaja, erklärte gegenüber „Fontanka“, dass der Turm damals ohne Pläne und in einem zerstörten Zustand übernommen worden sei. Zunächst mussten die tragenden Konstruktionen, die Holzstege und die Berechnung des maximal zulässigen Gewichts überprüft und genehmigt werden. „Wir haben alles komplett repariert. Wir erneuerten das Dach, die Wände, verstärkten die Böden, die Treppen, die dorthin führten und bauten Fenster ein.“

Kostspielige Instandsetzung

Heute zahle man, fährt Krasitskaja fort, den Hausbewohnern anteilig eine monatliche Miete von 30.000 bis 50.000 Rubel, umgerechnet etwa 400 bis 680 Euro. Von den 800.000 Rubel, rund 11.000 Euro, die für die Wiederherstellung des gesamten Geländes eingesetzt wurden, flossen fast 300.000 in den Turm selbst. Jedoch gebe es, anders als auf dem Dach, aus Platzgründen keine Möglichkeit, Hochzeiten oder ähnliche Feierlichkeiten zu organisieren.

Auch zum Fotografieren bliebe nicht viel Platz und das Seherlebnis sei ohnehin stark beeinträchtigt. Dies wiederum drücke den Preis, erklärt die Unternehmerin. „Der Preis muss daher verhältnismäßig niedrig sein, um Besucher auf den Turm zu locken“, sagt sie. Krasitskaja rechnet im Bereich von gerade einmal hundert Rubel pro Person. Bei maximal fünf Personen, die auf der Plattform Platz finden, scheint dies ein eher ideelles Geschäft.

Nach groben Schätzungen würde es ungefähr fünf Millionen Rubel, fast 70.000 Euro, kosten, alle fünfzehn ins Auge gefasste Türme zu restaurieren. Hinzu kommen die monatlichen Mieten an die Hauseigentümer, beziehungsweise Wohnungsinhaber. Der größte Erfolg, so heißt es aus dem Smolni, wäre die Einstellung inoffizieller Exkursionen auf den Dächern, die sich in St. Petersburg ausgebreitet haben.

Selbsternannte „Guides“, die die Adressen meist erst selbst vor kurzem erfahren haben, bringen leichtgläubige Touristen um viel Geld und auf eigenes Risiko auf die mitunter rutschigen, steil abfallenden Dächer. Natürlich ohne die Zustimmung der Anwohner, dafür mit brachialer Gewalt, indem Türen und Schlösser kurzerhand aufgebrochen werden. Diesem illegalen Treiben will Alexander Beglow, der stellvertretende Gouverneur der Stadt, nun ein Ende setzen.

[mb/russland.REISEN]