„St. Olavsweg“ verbindet künftig Nowgorod mit Norwegen

„St. Olavsweg“ verbindet künftig Nowgorod mit Norwegen

Weliki Nowgorod wird ab dem kommenden Jahr um eine touristische Attraktion reicher sein. Die ehemalige Hauptstadt des russischen Reiches wird zu einer Etappe des Pilgerweges auf den Spuren von Norwegens König Olav des Zweiten.

„Weliki Nowgorod wird sich 2019 dem einzigartigen Tourismusprojekt ‚Der Weg des Heiligen Olav‘ anschließen. Vorerst beleuchten wir noch wir die komplette dokumentarische Seite des Projekts. Nächstes Jahr werden wir mit dem Weg als solches beginnen“, gab Olga Alentijewa, die stellvertretende Generaldirektorin des Fremdenverkehrsamtes in Nowgorod, gestern der Presse bekannt und weiß um die Arbeit, die jetzt auf die mittelalterliche Reichsstadt zukommt.

Foto: © Michael Barth

Um das Jahr 955 wurde Olav Haraldsson als Spross eines Wikingerkönigs geboren, der wiederum ein Nachkomme des legendären norwegischen Herrschers Harald Schönhaar war. Seit seinem zwölften Lebensjahr an das raue Wikingerleben mit Beutefahrten und allem was dazu gehört gewöhnt, war er dabei, als die Nordmänner die London Bridge niederbrannten und zog danach mit einem Heer weiter nach Canterbury.

Missionar mit Schwert und Streitaxt

Nachdem sich die Engländer ihr Land durch ein nicht unbeträchtliches Schutzgeld wieder zurück gekauft hatten, verheerte Olav Frankreich und Spanien. In der Normandie nahm der, inzwischen schon von den Skalden, den altnordischen Barden, in deren Sagas aufgenommene, Wikinger 1014 den christlichen Glauben an, was ihn jedoch nicht hinderte, kurz darauf erneut über England herzufallen. Diesmal im Verbund mit einem dänischen Heer.

Im Jahr 1015, so besingen es die Skalden, kehrte Olav mit zwei Koggen zurück nach Norwegen und wurde zum König gekrönt. Historikern zufolge könnte sich Olav allerdings auch eigenmächtig auf den Thron gesetzt haben. Etliche Schlachten und Missionierungen später wurde er für den Dänen Knut, der inzwischen die Krone Englands trug, zu einem Problem, als dieser Machtansprüche auf Norwegen geltend machte.

Foto: © Michael Barth

Olav büßte 1028 schließlich seine Macht in Norwegen an den dortigen Adel, aufgestachelt von dem dänisch-englischen König Knut, ein und floh über Schweden nach Russland. Hier verbrachte er einige Jahre am Hof des Großfürsten Jaroslaw, dem Sohn des ersten russischen Christen Wladimir, der selbst vor seinem Bruder Swjatopolk von Kiew aus nach Nowgorod geflüchtet war. Jaroslaw heiratete eine Schwester Olavs und zog dessen unehelichen Sohn Magnus mit am Hofe auf.

Flucht nach Nowgorod

Während sein Filius in Nowgorod blieb, kehrte Olav nach Norwegen zurück, um sich zusammen mit schwedischen Kriegern sein, inzwischen führerloses, Reich zurück zu holen. In der Schlacht von Stiklestad 1030 sahen sich die Eroberer schließlich einer zahlenmäßig weit überlegenen Armee von heidnischen Stammesfürsten gegenüber. Zwar siegte die christliche Allianz, Olav jedoch fiel in der Schlacht und wurde als Märtyrer 1031 von der Kirche heilig gesprochen.

Vom elften bis zum vierzehnten Jahrhundert befand sich auf dem Gelände des alten Nowgoroder Gotenhofs auf der, dem Kreml gegenüberliegenden, Handelsseite des Wolchows eine St.-Olav-Kirche, die skandinavischen und deutschen Kaufleuten in der Stadt als Gotteshaus diente. Ihre erstmalige Erwähnung fand sie auf einem Runenstein im schwedischen Sjusta, der von einem getötetem Händler in „Holmgard“, dem Nowgorod in der Sprache der Wikinger, erzählt.

Foto: © Michael Barth

St.-Olav-Kirche am Gotenhof

Mitte des zwölften Jahrhunderts berichtet der Erzbischof Eysteinn von Trondheim von einem geschehenen Wunder in Nowgorod, das er dem heiligen Olav zusprach. Ein Vertrag aus dem Jahr 1230, der zwischen der Stadt und deutschen Händlern unterzeichnet wurde, bezeugt den „gotischen Hof mit der Kirche und dem Friedhof des Heiligen Olav“. Die letzte Erwähnung „der warägischen Kirche im Händlerviertel“ erfolgte 1311 in der „Ersten Nowgoroder Chronik“ aus dem vierzehnten Jahrhundert.

Selbstverständlich war es auch die Ikone des Heiligen Olavs, die Nowgorod seinerzeit vor der Zerstörung durch eine Feuersbrunst bewahrte. Im Jahr 2007 schließlich wurde bei archäologischen Untersuchungen in der Nikolaikathedrale ein Abbild Olavs aus dem 15. Jahrhundert freigelegt. Eine weitere Olavskirche befindet sich in der ersten warägischen Handelsniederlassung Staraja Ladoga, rund hundert Kilometer nördlich von Nowgorod.

Foto: © Michael Barth

Der auf seiner Hauptstrecke zwischen Oslo und Trondheim verlaufende „Olavsweg“, vom Europarat 2010 als Kulturweg zertifiziert, wurde 1997 als Pilgerpfad zum Andenken an König Olav eröffnet. Mittlerweile umspannt der Weg europaweit von Spanien bis Norwegen sämtliche Orte, an denen der Norwegerkönig einst gewirkt hatte und zieht sich als Netz über mehrere tausend Kilometer bis zum Nidarosdom, der über der Grabstätte Olavs in Trondheim errichtet wurde.

Pilgern als Tourismusfaktor

„Dieses Projekt ist bisher einzigartig für Russland. Laut unseren Kollegen aus Norwegen gibt es in unserem Land keine derartigen Pfade mehr“, sagte Olga Alentijewa mit dem gebotenen Ehrgeiz. Ihr zufolge könne die Teilnahme an diesem internationalen Projekt die Attraktivität von Weliki Nowgorod deutlich steigern und verweist auf die allgemeinen Zahlen, die auf den europäischen Pilgerwegen, allen voran der legendäre „Jakobsweg“, verzeichnet werden.

„Der heilige Olav war der letzte gemeinsame Heilige der ungeteilten Kirche und er lebte einige Zeit in Weliki Nowgorod. Es gibt eine große Anzahl von Pilgern, die schon jetzt den Weg des Heiligen in Norwegen und in Schweden und in Italien gehen. Wenn sie eine solche Gelegenheit erhalten, werden sie diese natürlich gerne nutzen und dem Weg dementsprechend auch in Russland folgen“, ist sich die Nowgoroder Touristikbeauftragte ihrer Sache sicher.

Über die geplante Streckenführung wurde indes noch nichts bekannt. Denkbar wäre ein Verlauf des Wolchow entlang bis nach Staraja Ladoga und von da weiter zur finnischen Grenze. Ebensowenig geht aus Alentijewas Bekanntmachung hervor, ob es einen Pilgerpass für diese Etappe geben wird, der entlang des Pilgerwegs mit Stempeln versehen und in Trondheim abgeschlossen werden kann..

[mb/russland.REISEN]