Es hört sich zwar irgendwie absurd an, aber Sewastopol erwägt tatsächlich den Bau einer eigenen Metro. Kollabierender Straßenverkehr zu den Stoßzeiten und witterungsabhängige Fähren könnten ein weitere Prestigeobjekt auf der Krim rechtfertigen.
Die Einwohner Sewastopols werten alleine schon den Gedanken an ein Metro-Projekt als ein königliches Geschenk ihres Bürgermeisters. Durch die Lage der Stadt sind die Hauptwohngebiete nur durch zwei Magistralen mit dem Zentrum verbunden und alle öffentlichen Verkehrsverbindungen aus allen Richtungen verlaufen ausschließlich durch das Stadtzentrum. Aus diesem Grund wird Sewastopol jeden Morgen und jeden Abend zu einem einzigen, gigantischen Stau.
Das größte Problem besteht auf der Nordseite der Hafenstadt, von der aus die Menschen entweder mit einem Passagierboot durch die Bucht von Sewastopol oder über die Umgehungsstraße bei Inkerman ins Zentrum gelangen. Eine Stunde darf man dafür von vorn herein fest einplanen. Bei schlechtem Wetter bricht sowie alles zusammen.
Dauerstau zu Land und wetterabhängiger Wasserweg
Bei Sturm wird der Schiffsverkehr in der Bucht eingestellt, was bedeutet, dass die Passagierboote nicht auf ihrer Route fahren können. Dadurch sind wiederum Zehntausende von Menschen gezwungen, sich morgens und abends in endlose Schlangen an den Haltestellen der Minibusse einzureihen, um überhaupt in die Stadt zu gelangen. Etwa zehnmal im Jahr erlebt Sewastopol regelmäßig seinen endgültigen Verkehrskollaps, wenn es im Winter schneit oder Straßenglätte herrscht.
Wie man sieht, sind die Gedanken an eine Metro in Sewastopol nicht ganz so unbegründet, wie es anfangs scheinen mag. Ein unterirdisches Transportsystem wäre eine echte Alternative, um die Straßen der Stadt, die ohnehin generell ausgebessert werden müssten, effizient zu entlasten. Der Projektgedanke umfasst vorläufig den Bau von drei Streckenführungen mit insgesamt vierzehn dazugehörigen U-Bahnstationen.
Der erste Zweig soll demzufolge die Nordseite Sewastopols mit der Kosakenbucht verbinden. Eine zweite Linie das Zentrum der Stadt im Fünf-Kilometerradius und eine dritte ist als Verbindung zwischen dem Strand von Utschkuewka und dem Vorort Inkerman anberaumt. Wie teuer das Sewastopoler Husarenstück letztendlich käme, vermag noch niemand zu sagen. Sicherlich würden die Kosten jedoch Milliarden von Rubel verschlingen.
Metro einzige Alternative?
Wie realistisch ist das Metro-Projekt Sewastopol überhaupt bei der Einwohnerzahl von rund einer halben Million, mag sich nun so mancher fragen. Wenn man bedenkt, wie viel seit dem Wiederbeitritt zu Russland mit dem Bau der Kertscher Brücke, der Taurida-Autobahn und sämtlichen infrastrukturellen Maßnahmen bereits in die Krim investiert wurde, käme es auf ein weiteres Prestigeobjekt auf der Halbinsel auch schon nicht mehr an.
Kritiker indes bescheinigen einer Sewastopoler U-Bahn allerdings ein ebenso jähes Ende, wie beispielsweise in Omsk oder Krsnojarsk, deren Schicksale gleich während der Bauzeit wieder besiegelt waren. Der Bau von Hochgeschwindigkeitstrassen für Züge oder Straßenbahnen, wie beispielsweise in Japan, scheitere an den geographischen Voraussetzungen, vor allem auf der gebirgigen Nordseite, so die Stadtplaner.
Ob die U-Bahnpläne Sewastopols der Schlüssel zur Verkehrsberuhigung sind oder am Ende doch nur ein abwegiger Gedanke, mag jeder für sich selbst beurteilen. Eine eigene Metro jedoch wäre definitiv ein i-Tüpfelchen mehr auf den ehrgeizigen Pläne der Vorzeige-Krim als Prestige – zumindest, bis der Weltraumbahnhof fällig ist.
[mb/russland.REISEN]