Russlands Touristik-Chef will Europa Besucher abluchsen

Viele der geschichtsträchtigen Kleinstädte in Europa seien mittlerweile durch unzählige Touristen überlastet, weiß Oleg Safonow, der Leiter der staatlichen russischen Tourismusbehörde Rosturizm. Auf dem „Ersten Internationalen Forum der antiken Städte“ in Rjasan bot er nun an, einen Großteil davon nach Russland umzuleiten.

Nimmt man alleine das fränkische Weltkulturerbe Rothenburg ob der Tauber als Beispiel für Safanows Gedankenspielereien, muss man ihm recht geben. Jährlich fallen rund 2 Millionen Besucher aus aller Welt in das gerade einmal 11.000 Einwohner zählende Städtchen ein. Der Unmut der Bevölkerung lässt sich tatsächlich schon lange nicht mehr überhören, das Konfliktpotenzial gehört quasi mit zum Sightseeing-Programm.

Das sind Zahlen, von denen kann man in Russland sicherlich nur träumen. Dennoch mag man dem Leiter der Rosturizm-Behörde die Selbstlosigkeit nicht abkaufen, wenn er vorschlägt, einen Teil der Touristen zur Entlastung der europäischen Städte übernehmen zu wollen. Denn: Touristen bringen Geld und schaffen Arbeitsplätze. So fließen jährlich 253 Millionen Euro zusätzlich in das Stadtsäckel von beispielsweise Bamberg, alleine durch Gewerbe- und Einkommensteuer der rund 5.000 Beschäftigten in der Tourismusbranche.

„In den verschiedenen europäischen Ländern sehen sich kleine Städte mit der Tatsache konfrontiert, dass die Touristenströme sehr groß sind und so schnell wachsen, dass sie für die Einwohner dieser kleinen Städte Probleme schaffen“, bringt sich Safanow damit selbst ins Spiel. Er sei der festen Überzeugung, dass Russland seinen Kollegen aus dem Ausland Abhilfe anbieten könne. Ihm schwebe vor, gemeinsame touristische Routen mit anderen Staaten zu schaffen und die Touristenströme zu koordinieren.

Unter dem Strich will er damit sagen, dass Russland auch gerne ein Stück von dem Kuchen abhaben möchte. Bei der Behörde Rosturizm arbeitet man schon lange daran, Auslandstouristen die Provinz, fernab von Moskau und St. Petersburg, schmackhaft zu machen sowie Reiseveranstalter davon zu überzeugen, gezielt das Hinterland zu bewerben und anzusteuern. Möglicherweise hat dieses Jahr die Fußball-WM für einen Schub gesorgt, viele Besucher konnten sich vorstellen wiederzukommen.

Potenzielles Neuland für den „Historien-Tourismus“ wäre im größten Land der Erde auf jeden Fall vorhanden, die 1038 urkundlich besiegelten Jahre haben ihre deutlichen Spuren hinterlassen. Bis dato sind inzwischen 28 Objekte in Russland als Weltkulturerbe der UNESCO ausgewiesen und es ist davon auszugehen, dass mit einer steigenden Popularität des Landes früher oder später weitere hinzukommen werden.

[mb/russland.REISEN]