Russland will Tourismus zielgerichtet entwickeln

Die russische Tourismusbranche steht vor einem Umbruch. Auf dem „Kasaner Tourismus-Forum 2017“ wurden Wege vorgestellt, die ein neues Klientel nach Russland locken sollen. Bereits bestehende touristische Infrastrukturen werden mit neuen Technologien aufgepeppt und die Branche hat den Tourismus für Muslime verstärkt ins Visier genommen.

Mehr als 1.500 Experten nahmen am „Kazan Tourism Forum 2017 – Die Sehenswürdigkeiten der Zukunft“ teil, um gemeinsam Möglichkeiten zu finden, das Wachstum der Touristenströme nach Russland weiterhin zu gewährleisten. Der Schwerpunkt des Forums lag auf religiösem Tourismus sowie dem Einsatz digitaler Technologien, die bei der Entwicklung der Tourismus-Industrie helfen sollen. Oleg Safonow, der Leiter der staatlichen Tourismus-Agentur Roztourism glaubt, dass die Branche unmittelbar vor ernsthaften Veränderungen stünde, was den Einsatz digitaler Technologien betrifft. Die Digitalisierung erlaube es dem Verbraucher, so Safonow, direkt mit den Anbietern zu verhandeln, da Vermittlungen wegfielen. Dadurch werde das Produkt qualitativer und vor allem kostengünstiger, sagte er.

„Virtual-Reality-Shops, Online-Buchungen und andere elektronische Dienstleistungen ermöglichen es Touristen, ihre Reise schnell und komfortabel zu planen“, sagt auch die Marketing-Managerin von Visit Britain Jekaterina Merentschuk. „Die Positionierung einer Marke und einer touristischen Reiseroute im Internet spielen eine wichtige Rolle, da es die Menschen inzwischen bevorzugen, ihre Informationen über mobile Geräte zu kominizieren“, erklärte sie während des Forums. „Wir sind alle zeitlich eingeschränkt, gleichzeitig wollen wir aber auch das Beste und erwarten, dass uns die Tourismus-Industrie die Informationen online zur Verfügung stellt, um das Wichtigste nicht zu versäumen.“

Reisewege digitalisieren und neue Zielgruppen erreichen

Nach wie vor seien bei Touristen traditionelle Werte gefragt, erläuterte Safonow. So gewinne auch der sogenannte „Halal-Tourismus“ an Popularität. In einigen russischen Regionen, beispielsweise in Tatarstan, seien deshalb bereits beste Bedingungen für muslimische Touristen geschaffen worden. „Aufgrund seiner Möglichkeiten im ‚Halal-Tourismus‘ ist Tatarstan für die Touristen interessant, die sich zum Islam bekennen. Zahlreiche Denkmäler der islamischen Kultur konzentrieren sich auf dem Gebiet Tatarstans, was wiederum vielversprechend für die Entwicklung des religiösen Tourismus ist, weiß der Roztourism-Chef.

Nach Safonows Erfahrungen reisen Muslime am häufigsten in Länder, in denen der Islam praktiziert wird. Deshalb seien auch Reisen nach Russland beliebt, weil die islamischen Traditionen in einer Reihe von Regionen des Landes stark vertreten sind. „In Tatarstan beispielsweise befindet sich die antike Stadt Bolgar, die als der Ort gilt, an dem die Wolga-Bulgaren den Islam als Staatsreligion angenommen haben“, erklärt Safonow. In diesem Jahr wurde dort die Bulgarische Islamische Akademie eingeweiht, zudem befinden sich in der Region 1.500 Moscheen, von denen die Kul-Sharif-Moschee in Kasan die herausragendste ist. Zudem gehört die Stadt Kasan zu den Ausrichtern der Fußball-Weltmeisterschaft 2018.

Wenn man der Einschätzung der Experten auf dem Gebiet der Touristik Glauben schenken darf, sind muslimische Länder einer der vielversprechendsten Märkte für die Entwicklung des Inbound-Tourismus nach Russland. Man rechnet innerhalb der Branche mit 156 Millionen touristisch reisenden Muslimen bis zum Jahr 2020. Roztourism will daher das Projekt „Halal-Friendly“ realisieren, um die Reise durch Russland für muslimische Touristen angenehmer zu gestalten. Das Projekt organisiere laut Oleg Safonow neben Guides und Dolmetschern auch Hotels und Restaurants, die Halal-Menüs servieren.

Fachleute der Branche können oder wollen keine genauen Zahlen nennen, wie viele der weltweit zwei Milliarden Muslime aus 142 Ländern der Erde Russland jährlich besuchen. Sie merken lediglich an, dass die Touristen nicht nur aus den Ländern des Nahen Ostens kommen. So hat man verstärkt auch die Muslime aus China im Blick. Ihrer Meinung nach sei eine vollständig darauf ausgerichtete Infrastruktur ein entscheidender Faktor bei der Wahl des Reiseziels für die Touristen.

Dienstleistungen optimieren

Neben der „Halal-Touristik“ habe man selbstverständlich auch noch andere touristische Infrastrukturen im Blick. So beispielsweise im Unterhaltungs- und Bildungstourismus, die ebenfalls im föderalen Zielprogramm “Entwicklung des Inland- und Incoming-Tourismus in der Russischen Föderation“ umgesetzt werden sollen. Man plant bis Ende 2018 weitere 81 Projekte in die erstellten Touristik-Cluster einzuführen. Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedjew gab den Auftrag, ein Konzept für das föderale Zielprogramm zur Umsetzung von Maßnahmen zur Erschaffung von Tourismus-Konzepten zur Förderung russischer Tourismus-Produkte und der Verbesserung der Qualität der touristischen Dienstleistungen auszuarbeiten.

Das russische Kulturministerium richtete eigens zu diesem Zweck eine Arbeitsgruppe ein, der Vertreter von Rozturism, dem Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung, das Finanzministerium sowie Regionen der Russischen Föderation angehören. Man beobachtet, dass viele touristische Sehenswürdigkeiten Russlands eine eigenständige Infrastruktur entwickeln. Aus diesem Grund wolle man beispielsweise in der nächsten fünf bis sieben Jahren 250 Kilometer Skipisten im Resort von Rosa Khutor bei Sotschi schaffen, berichtete die Direktorin für Marketing und Verkauf des Resorts, Olga Filipenkowa, am Rande des Forums.

Andernorts will man den Gästestrom durch Dienstleistungen für Kinder erhöhen. „In erster Linie ist ein Landhotel ein touristisches Produkt“, sagte Anton Basin, der Präsident des Russischen Verbandes der Landhotels. „Da braucht es Radwege auf dem Gelände des Hotels, Paintball-Plätze und man muss auch einmal die Kinder übernehmen, damit sich die Familien entspannen können und die Eltern zur Ruhe kommen. Deshalb haben wir auch Kinderzonen in den Restaurants und ein Trampolin ist immer noch das beste Kinderspielzeug.“

„Wir bewerten das Jahr 2017 vom Gesichtspunkt der Entwicklung des eingehenden Touristenstroms als erfolgreich. Wir schätzen, dass das Niveau dem von 2016 entspricht, das ist ein guter Indikator“, antwortete Oleg Safonow auf Nachfrage von Journalisten. Der Inbound-Tourismus in der Russischen Föderation ist im Jahr 2016 um sieben Prozent gestiegen. Am deutlichsten entwickelte sich mit plus 72 Prozent der Iran. Ferner befinden sich unter den führenden Ländern China, Südkorea und Indien. Auch Spanien, Italien und Frankreich zeigen ein stetiges Wachstum. Der interne Touristenstrom stieg um etwa zehn Prozent.

Führend bei den Reisezielen Russlands sind den Auswertungen zufolge Tatarstan, die Altai-Region, das Gebiet Krasnodar, Moskau und St. Petersburg. Die Russen hingegen verschlug es 2016 am häufigsten nach Zypern (+40 Prozent), China (+30 Prozent), Griechenland (+20 Prozent) und Spanien (+15 Prozent).

[mb/russland.NEWS]