Privatunterkünfte sollen in Russland verboten werden

Privatunterkünfte sollen in Russland verboten werdenFoto: © Michael Barth

Droht Touristen, die Russland bereisen wollen künftig ein Engpass bei Übernachtungsmöglichkeiten? Wohl kaum, aber für Low Budget-Traveller wäre es ein gravierender Einschnitt: Die Staatsduma billigte einen Gesetzesentwurf, der vorsieht, Herbergen und Mini-Hotels in Wohngebäuden zu verbieten.

Die Staatsduma verabschiedete im Moskauer Kreml in dritter Lesung den Gesetzesentwurf „Über Änderungen an Artikel 17 des Wohnungsgesetzbuches der Russischen Föderation“. Was sich zunächst nach typischem Beamtenkauderwelsch anhört, ist im Wesentlichen ein Verbot der Inbetriebnahme von Hotels und Hostels in Wohngebäuden.

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Wenn der Föderationsrat dem Gesetz zustimmt, ist es in Zukunft unmöglich, Herbergen oder Mini-Hotels in Wohneinheiten, die in Mehrfamilienhäusern liegen, zu betreiben. Ausgenommen werden sollen jedoch Herbergen und Mini-Hotels, für die Nichtwohngebäude, beispielsweise Lofts in ehemaligen Fabriken, umgerüstet wurden oder in Gebäuden, die für den Gewerbebetrieb vorgesehen sind.

Wenn sich die Nachbarn nicht daran stören

Zwar könnten Wohnungsinhaber, so soll es später per Gesetz geregelt sein, mittels eines sogenannten „Housing Codes“ zwar eine Wohnung in einem Wohngebäude in Nichtwohngebäude übertragen, jedoch auch nur, wenn sich darunter ein Nichtwohnraum befindet. Die Initiatoren der Gesetzesvorlage erkennen immerhin an, dass die Eigentümer unabhängig über ihre Immobilien verfügen können, sofern sich die Nachbarn nicht daran stören und deren Interessen nicht verletzt werden.

„Die meisten Herbergen in Wohngebäuden zahlen keine Steuern, außerdem sind sie nicht registriert“, erklärte die Vorsitzende des Duma-Ausschusses für Wohnpolitik, Wohnungs- und Kommunaldienstleistungen, Galina Chowanskaja, und weist auf die wirtschaftliche Grauzone hin, in der sich die Vermieter bewegen. „Es ist fast unmöglich, diese Situation zu kontrollieren, weil es unmöglich ist, eine Wohnung zu betreten“, klagt sie.

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Es handele sich hierbei, so die Leiterin der Initiative, um eine Verfassungsnorm und die dürfe nicht verletzt werden. Zustimmung bekommt sie von Dmitri Ionin, einem Mitglied des Staatsduma-Ausschusses für Verkehr und Bau sowie der Fraktion Faires Russland. Er kritisiert fehlende Sicherheitsgarantien für Mieter und Nachbarn und fürchtet um die Aufrechterhaltung von Sauberkeit und Ordnung.

Sparen an Sauberkeit und Ordnung

In solchen Unterkünften gebe es meist keine Rezeption, keine Zimmerreinigung oder gar einen Concierge, weiß Ionin. „Häufig wurden Herbergen zu offenen Höhlen, die das Leben des ganzen Hauses beeinträchtigten“, schilderte der Politiker die Folgen, die bei der Nutzung einer Wohnung als Hostel drohen.

Allerdings scheint er selbst nicht an einen Erfolg der Initiative zu glauben: „Es gibt Befürchtungen, dass sie versuchen würden, zurückzuweichen und diese Frage die Mieter auf der regelmäßigen Hauptversammlung entscheiden lassen.“ Für ihn fehle die Garantie, dass die Mieter nicht irregeführt werden. Sicherlich klingt die Ansicht von Dmitry Ioni nicht unvernünftig. Jedoch wird die Frage nun schon seit 2015 diskutiert und dementsprechend viele unterschiedliche Meinungen gibt es inzwischen dazu.

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Im Februar 2018 machte Senator Igor Fomin bereits erste Zugeständnisse an Vermieter und Hausbewohner: „Nach Meinung der meisten Experten kann ein Haus oder ein Mini-Hotel im Haus toleriert werden, wenn mehr als die Hälfte der Besitzer von Wohnräumen des gesamten Hauses dafür stimmen.“ Wie viele Prozent der Bewohner des Objektes, in dem sich das Hotel befindet, es nun tatsächlich befürworten sollten, müsse jedoch erst noch ausdiskutiert werden.

Hohe Verluste für Kleinunternehmer

Kenner der Branche glauben indes, dass Mini-Hotels und Hostels für die Wirtschaft und den Tourismus in Russland von wesentlicher Bedeutung sind. Bei einem Treffen in der Staatsduma, auf dem das Gesetz besprochen wurde, sagte der Leiter des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Handel, Maxim Oreschkin, dass die russischen Kleinunternehmen bei der Verabschiedung des Gesetzes Verluste von bis zu vier Milliarden Rubel erleiden würden.

„Das enorme Potenzial des kurzfristigen Mietmarkts in Moskau ist offensichtlich“, weisen die Experten auf das Fehlen kostengünstiger Unterkünfte hin. Das Angebot sei laut einem Gutachten des Beratungsunternehmens „Intermark Hospitality“ extrem begrenzt und die potenzielle Nachfrage übertreffe es deutlich.

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In einer Studie, durchgeführt von der Agentur „OneTwoTrip Service“, beliefen sich die durchschnittlichen Kosten in Hostels in Moskau auf 640 Rubel und in St. Petersburg auf 585 Rubel pro Tag, umgerechnet also deutlich unter zehn Euro. Andere Optionen kämen laut der Erhebung für Touristen mit einem kleinen Reisebudget, beispielsweise Studenten, große Familien sowie Rentner, eher weniger in Betracht.

Im Windschatten der WM-Touristen

Viele der Herbergen in Russland haben sich bereits wegen der drohenden Schließungen organisiert, da sie durchaus einen guten Ruf zu verlieren haben. So gewann das St. Petersburger Hostel „Soul Kitchen“ den diesjährigen „Hoscar“ des Online-Reservierungsservice „Hostelworld“ in der Kategorie „Bestes Gästehaus mittlerer Größe“ und belegte in der Kategorie „Bestes Haus“ den zweiten Platz unter den Hotels für Alleinreisende.

Daniel Materikin, der leitende Administrator des Moskauer Hostel-Netzwerks „Yum Yum“, äußerte sich hingegen, dass er die Initiative generell positiv beurteilen würde. „Viele Hostels in den Wohnungen waren von unzureichender Qualität. Es gab sämtliche Verstöße gegen die Auflagen, Brandschutz- und Arbeitsgesetze wurden überhaupt nicht beachtet“, denkt er noch heute mit Schaudern an die Fußball-WM 2018 zurück, als Unterkünfte gefragter waren denn je.

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Viele, so glaubt Materikin, hätten, nachdem das Turnier vorüber war, ihr Unternehmen gleich weiter betrieben. Unter diesen Untervermietern fänden sich die meisten schwarzen Schafe der Branche meint er. Aber auch in durchaus seriösen Unterkünften grassiert die Angst vor möglichen Einschnitten.

„Dies ist ein schreckliches Projekt, es ist eine Katastrophe, nur eine Schande! Diejenigen, die in Herbergen gegangen sind, gehen jetzt nirgendwohin, weil die Menschen sparen müssen. Das Gesetz wurde noch nicht einmal verabschiedet, aber schon jetzt sind viele Hostels geschlossen“, kommentiert eine Vermieterin, die ihren Namen nicht öffentlich gemacht sehen möchte, die Situation in Tula.

[mb/russland.REISEN]