Krim: Bachtschisaraj im touristischen Wandel

Krim: Bachtschisaraj im touristischen WandelFoto: © Michael Barth

Als der Sohn des Khans, so will es die Legende, am Ufer eines Flüsschens saß und eine verletzte Schlange beobachtete, die im Wasser plötzlich wieder gesundete, deutete dies der Herrscher als ein Zeichen und ließ an jener Stelle einen prächtigen Palast errichten. Heute gilt dieser als ein Denkmal der krimtatarischen Architektur.

„Da das Wasser des Flusses stark aufgewühlt ist, ist sein Name Tschuruk-Su, fauliges Wasser“, berichtet Ewlija Tschelebi, ein osmanischer Schriftsteller im Dienste des Sultans, in seinem Reisebuch aus dem Jahre 1664. „Er dreht viele Mühlräder und bringt viel Schmutz mit sich“, fährt er fort und bezeugt so die einstige wirtschaftliche Blüte des Tales und des Ortes Bachtschisaraj. Der Fluss diente seit jeher als Abwasserkanal, der die umliegenden Gärten bewässerte und düngte.

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Das „Gartenschloss“, so die Übersetzung des tatarischen Namens, fand auch in M. Rugards „authentischen Berichten“ über seine Krim- und Kaukasusfahrt von 1891 als „orientalisches Märchen“ Erwähnung. Hierbei lohnt sich, nach rund 125 Jahren, eine kleine Gegenüberstellung seines Besuchs der Stadt Bachtschisaraj und wie man sie heute vorfindet. Hatte der Ort zum Ende des 19. Jahrhunderts noch 15.000 Einwohner, so sind es derzeit gerade einmal doppelt so viele.

Das orientalische Gartenschloss

„Diese einstige kleine Residenz hat mehr ursprüngliches Orientalenthum bewahrt, als die großen prächtigen Residenzen von Constantinopel und Kairo, wenn ihr auch die reiche, erst das eigentliche Morgenland bekundende Farbenfülle der letzteren abgeht.“ In der Tat wähnt man sich nach wie vor in einer türkischen Kleinstadt, in der die Sowjets ihre Spuren lediglich in Form der kyrillischen Schrift und Plattensiedlungen in der etwas entfernteren „Neuen Stadt“ hinterlassen hat.

Auch in Zeiten der darauffolgenden Ukraine hat sich das Gesicht Bachtschisarajs nicht nennenswert verändert, es mangelte, Gott sei Dank, an Geld. „Gleich beim Eintritt in die kaum zehn, oft nur fünf Schritt breiten Straßen, in denen es Schwierigkeiten macht, dem Wagen auszuweichen, empfangen uns die Buden zu beiden Seiten…“, notierte Rugard und beschrieb ein erlesenes Warenangebot, das heute Souvenirs gewichen ist, die vermutlich auch noch irgendwo in China gefertigt wurden.

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Die schmalen Gassen, die das Bild des engen Tals prägen sind geblieben, die „Buden mit zertheilten Hammeln“ allerdings verschwunden. Die Schafe Südrusslands werden heutzutage in den Restaurants serviert, die sich entlang der Hauptstraße aneinander reihen. „Das Feilschen der Verkäufer, das durch die miasmenreiche Luft schwirrt, in der es ein verwöhnter Europäer nicht lange aushalten kann“ wird ersetzt durch das Werben junger Burschen, die um Kundschaft buhlen.

Pensionen statt Bazare

Die Touristen, von denen Bachtschisaraj heute weitgehend lebt, sind zum größten Teil Tagesausflügler, die einen Abstecher von den Badeorten der Krim hierher machen. Sie gilt es dingfest zu machen, sobald sie ihre vollklimatisierten Reisebusse verlassen haben, die unmittelbar vor dem ehemaligen Khanspalast zum stehen kommen. Das Geschäft ist zäh, doch seitdem Russland die Halbinsel zu seinem Prestigeobjekt erklärt hat, kommen sie wenigstens wieder hierher.

Sie besuchen den Palast und tummeln sich anschließend in den, teils eigens für sie malerisch hergerichteten Lokalitäten, doch der eigentliche Reiz des Ortes gehört in der Regel nicht mehr zum offiziellen Programm: „Die breite rechte Seite der Stadt mit ihrem Labyrinth kleiner Gässchen, Häuschen an Häuschen geklebt, an die Maurenstadt von Algier erinnernd…“ Auch wenn die niedrigen Gebäude mittlerweile europäischer anmuten, birgt das Viertel noch immer seinen Flair.

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„Wie im ganzen Orient“, schreibt Rugard, „findet man auch hier Straßen, die sich in Sackgassen verlieren und so schmal sind, dass kaum vier bis fünf Fußgänger nebeneinander Platz haben.“ Dort finden sich inzwischen, meist im Gassengewirr versteckt, reizvolle und günstige Pensionen für Besucher, die etwas mehr Zeit im Ort verbringen möchten. „Solange man nicht auf den Gipfel der Felsen gelangt, ist Bachtschisaraj, das im Tal liegt, nicht zu sehen“, schrieb dazu Ewlija Tschelebi.

Das Prunkstück des Tals

Die bezaubernde Landschaft, ein Plateau, welches schroff zur Ebene hin abbricht, drängt sich zum Wandern geradezu auf. Besonders das Uspenski-Kloster sowie die darüber liegende historische Felsen- und Höhlenstadt Tschufut-Kale locken heute wieder Scharen von Touristen an. Wer nicht darauf erpicht ist, für teures Geld in Sewastopol zu logieren, sollte den Spieß umdrehen und von hier aus Tagestouren in die Flottenstadt unternehmen – die Busse verkehren regelmäßig.

Das Herzstück von Bachtschisaraj jedoch ist der Palast der Herrscher des Krimkhanats, Gireys genannt. Die erste urkundliche Erwähnung der Stadt ist auf das Jahr 1503 datiert, die bereits angesprochene Legende dürfte sich demnach im ausgehenden 15. Jahrhundert zugetragen haben. Schenkt man dem Gelehrten Tschelebi Glauben, handelt es sich bei dem Erbauer des Schlosses um niemand Geringeren als um Dschödschi, den erstgeborenen Sohn des legendären Dschingis Khan.

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Aus welchen Gründen nun auch immer mit dem Bau des Palastes begonnen wurde, der erste nachweisliche Regent der hier Einzug hielt, war Girey Mengli der Erste, der seine Truppen unter osmanischem Supremat sogar gegen Polen-Litauen ziehen ließ. „Der große Palast umfasst 4.500 Räume, er ist mit Ziegeln bedeckt, hat Wände aus Stein und Schornsteine hoch wie Zypressen und Tore wie eine Festung“, lobpreiste Ewlija Tschelebi das Krimsche Herrscherhaus.

Exotisches fürs Auge

„Unwürdig ist der und voller Sünden, der seine Beschreibung nur mit einem leichten Lob zu beginnen vermag und mit seiner Feder die Edelsteine verstreut wie Tropfen im Meer und kleinste Teilchen der Sonne“, schwärmt er, seiner Zeit gemäß, in den höchsten Tönen. Und immer noch hält jede Besuchergruppe zunächst einmal inne, um die blumige Pracht zu bestaunen, die sich hinter den Festungsmauern verbirgt.

M. Rugard hingegen moniert in seinen Notizen, dass „trotz allem Ansprechenden, der Gesamteindruck kein harmonischer“ sei, „da alle Stilarten durcheinander gewürfelt sind und vornehmlich die Rococomischungen mit maurischem und tatarischem Stil eine unglückliche Geschmacksverirrung zeigen.“ Dazu muss man jedoch erwähnen, dass Stadt und Palast 1736 von russischen Truppen eingeäschert und daraufhin wieder aufgebaut wurde.

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„Alles in allem bleibt die ehemalige Chanresidenz eine der anmuthigsten Erinnerungen, die man von der Krim heimbringt“, fand bereits Rugard und man muss ihm selbst im 21. Jahrhundert noch recht geben. Auch wenn sich die aktuellen Touristen, zumindest die russischen, eher an den Tränenbrunnen erinnern werden, dem der Nationaldichter Puschkin eine Seele gegeben hat, schmälert dies keineswegs genährte Träume von Geschichten aus Tausend und einer Nacht.

Von Simferopol aus gelangt man mit dem Bus oder der Elektritschka, der Vorortbahn, in gut einer Stunde nach Bachtschisaraj. Der Fahrpreis beträgt, je nach Gepäck, zwischen sechzig und fünfundsiebzig Rubel, umgerechnet also etwa einen Euro. Die Busse fahren tagsüber nahezu stündlich. Weitere Verbindungen führen beispielsweise auch nach Sewastopol, Jalta und an die Westküste der Halbinsel.

[mb/russland.REISEN]