Können Schwule zur WM nach Russland fahren?

Eins gleich vorweg: Noch nie mussten sich Menschen mit einer homosexuellen Lebenseinstellung so wenig Gedanken über eine Reise nach Russland machen, wie bei der bevorstehenden Fußball-WM 2018. In dem zu erwartenden Schmelztiegel sämtlicher Nationen und aller Rassen, werden Schwule und Lesben garantiert auch nicht groß auffallen.

Sicherlich, Homophobie ist ein Schlüsselwort, wenn es um eine Reise nach Russland geht. Und ja, es ist auch zutreffend, dass die russische Gesellschaft für gewöhnlich der Homosexualität nicht unbedingt aufgeschlossen gegenübersteht. Muss man jetzt deshalb mit derartige Neigungen gleich das Land meiden, wo doch, so behauptet es zumindest der semi-informierte Westen, Schwulsein per Gesetz rechtswidrig sei? Hier gilt es gleich den erste Punkt der Gerüchteküche geradezurücken, denn schwul und lesbisch ist in Russland nicht per se verboten!

In Moskau oder St. Petersburg gibt es sogar Bars, Cafès und Clubs, die das LGBT-Publikum willkommen heißen. Interessierte recherchieren am Besten schon von zuhause aus in einschlägigen Publikationen, beziehungsweise im Internet, um weitere Informationen zu finden. Vor Ort dürfte es für Ortsfremde etwas kompliziert werden, gerade wenn sich auch noch Sprachprobleme dazu gesellen.

Das Gesetz zur Homosexualität in der Öffentlichkeit zielt darauf ab, Kinder und Jugendliche vor homosexueller Propaganda zu schützen. Im Klartext bedeutet das, der Staat erkennt keine gleichgeschlechtlichen Partnerschaften an und stellt jegliche positiven Äußerungen über Homosexualität in Anwesenheit von Minderjährigen oder über Medien wie das Internet unter Strafe. Anders verhält es sich jedoch innerhalb der russischen Gesellschaft, die in der Regel weniger Toleranz gegenüber der LGBT-Community zeigt.

Ein gesellschaftliches Tabuthema

Man kann die gesellschaftliche Situation vielleicht am ehesten mit der vor 30 Jahren in nichtstädtischen Gebieten Deutschlands vorherrschenden vergleichen, als Homosexualität noch weitgehend als abartig galt und in einer von der Kirche dominierten Lebensgrundlage keinen Platz hatte. Ansonsten gibt es heute auch in Russland durchaus, gerade unter den jüngeren, aufgeschlossene Menschen, denen es herzlich egal ist, ob jemand Gay ist oder nicht. Gerade in den großen Städten Westrusslands. Unterdessen versuchen Schwule und Lesben in Russland Gleichgesinnten die Angst vor einem Russlandbesuch zu nehmen.

In einem sind sie sich alle einig, solange du ein paar Regeln in der Öffentlichkeit befolgst, zum Beispiel sich in der Öffentlichkeit zu küssen oder Händchen zu halten und nicht plakativ als Tunte herumläufst, wird dir auch in Russland nichts passieren. Und schon gleich gar nicht während der Fußball-Weltmeisterschaft. „Russland ist sicher, das Problem wird übertrieben“, sagt ein schwuler Russe und ist überzeugt, dass die Polizei ihren Job mache – vor allem, wenn es sich um Ausländer handelt.

Ein anderer teilt seine Erfahrungen gern, um schwulen WM-Gästen Mut zu machen, und sagt, dass er in dieser Hinsicht in Moskau nie Diskriminierung erlebt habe. „Dabei ahnt fast mein gesamtes Umfeld, wo meine Präferenzen liegen. Aber ich spreche darüber nicht offen“, bringt er es auf den Punkt. Darüber hinaus betont er, dass man beim Besuch einer Sportsbar auf sein Styling achten solle. „Nicht anziehen wie eine Drag Queen. Das kann böse enden!“ Allerdings nicht nur in Russland und in der Fußballszene ohnehin.

Eine Frau erklärt zudem, dass es einen Unterschied mache, wie schwule Männer und lesbische Frauen wahrgenommen würden. Bei ihr und ihrer Freundin sorge es höchstens für Aufmerksamkeit, arte aber nicht in Aggressionen aus, was sie bei Männern nicht ausschließen könne. Der Tenor aber ist bei allen der gleiche. Wenn es den „richtigen“ Zeitpunkt für Schwule und Lesben geben sollte, ins vermeintlich homophobe Russland zu fahren, dann ist dieser vom 14. Juni bis zum 15. Juli 2018.

[mb/russland.REISEN]