Ohne Zweifel: Kamtschatka ist atemberaubend schön – aber auch sündhaft teuer. Für die Preise, die für Kurzausflüge auf der Halbinsel am östlichsten Ende Russlands erhoben werden, könnten Touristen anderswo zwei schöne Wochen Urlaub verbringen. Die Leitung des Kamtschatka-Reservats „Kronotzky“ erklärte nun, wie die hohen Kosten zustande kommen.
Wenn man Anzeichen eines Erdbebens verspürt, solle man dies umgehend unter der Notfall-Telefonnummer der Reservatsverwaltung melden, heißt es auf deren Präsentation, bevor die einzigartige Natur der Region vorgestellt wird. Außerdem wirbt man mit hehren Zielen, um diese natürliche Schönheit zu bewahren. Umwelterziehung und Erkenntnistourismus nennt sich schließlich das, was man den Touristen verkaufen will.
Die Halbinsel Kamtschatka, die 1697 von den Kosaken im Zuge ihrer Sibirien-Expeditionen ab Mitte des 17. Jahrhunderts entdeckt wurde, gilt als größte Halbinsel Ostasiens. 370.000 Quadratkilometer zwischen der Beringsee und dem Ochotskischen Meer beheimaten nahezu unberührte Natur und eine reichhaltige Großwildfauna, die selbst die Pelzjäger des 18. und 19. Jahrhundert nicht ausrotten konnten. Ganz im Gegensatz zu der indigenen Urbevölkerung.
Schönheit hat ihren Preis
Heute steht der größte Teil des kontinentalen Anhängsels unter strengstem Naturschutz, für den sich Biosphärenreservate verantwortlich zeigen. Touren in die geschützten Gebiete sind rigide Reglementiert, zudem ist eine Formularschlacht notwendig, die ehemaligen Sowjetzeiten zu aller Ehre reicht. Dennoch hat das Interesse unter Reisenden, abgesehen von Russen besonders aus China, Japan und Südkorea, in den letzten Jahren stetig zugenommen.
Was jedoch viele Touristen abschreckt, und das betrifft in erster Linie diejenigen aus dem Inland, sind die immensen Kosten, die für die Besichtigung der Reservate zu entrichten sind. So schlägt beispielsweise ein Tagesausflug zu den Geysiren und Vulkanen mit durchschnittlich 45.000 Rubel zu Buche, das sind umgerechnet knapp 650 Euro. Für eineinhalb Tage am Kurilensee werden gleich 87.000 Rubel fällig, also stolze 1.200 Euro.
Zunächst rechtfertigt sich die Leitung des Reservats damit, dass die angebotenen Touren von Reiseagenturen veranstaltet werden, auf deren Preisgestaltung man keinen Einfluss habe. Soweit so gut – und dennoch bleibt die Frage, wie sich die hohen Preise zustande kommen. Um der oft geäußerte Behauptung, man wolle sich auf Kosten der Natur bereichern, zuvorzukommen, hat sich die Verwaltung dazu entschlossen, die Antwort selbst zu geben.
Hubschrauber statt Busse und LKW
„Eine Stunde mit dem Hubschrauber auf Kamtschatka kostet über 200.000 Rubel. Ein Hubschrauber vom Typ Mi-8 bietet bei voller Beladung Platz für zweiundzwanzig Passagiere. Der Flug dauert 2 bis 2,5 Stunden. Dementsprechend verbrennt die Hälfte des vom Reisenden bezahlten Geldes buchstäblich in der Luft“, so das Statement zum scheinbaren Löwenanteil des Ausflugspreises.
Des weiteren erhalte man zwar kein Geld in Form einer Beteiligung, bekäme aber pauschal 10.650 Rubel, rund 150 Euro, von den jeweiligen Reiseveranstaltern. Über den Pressedienst ließ die Reservatsverwaltung mitteilen, dass mit den Geldern neue Infrastrukturen geschaffen und die bestehende instand gehalten werden. Da sämtliche Baumaterialien mit dem Hubschrauber angeliefert werden müssen, führe dies häufig zu einer Verdreifachung der Kosten.
Darüber hinaus bilde man aus diesen Mitteln einen Fonds, der für die Entwicklung und Implementierung neuer umweltfreundlicher Technologien, Maßnahmen zur Bekämpfung von Wilderei und die Schulung der Mitarbeiter aufgewendet werde. Gleichzeitig jedoch wurde gemäß einem Fernsehbericht festgestellt, dass die Betriebskosten des Reservats zu achtzig Prozent aus Mitteln des Bundeshaushalts abgedeckt würden.
Reibach für Reisebüros
„Wir erheben eine Gebühr für die Nutzung der Infrastruktur, zum Beispiel das Betreten von Wegen, Aussichtsplattformen, es gibt Häuser, Kantinen und Toiletten. Die Begleitung der Gruppe erfolgt durch einen staatlichen Aufseher. Dies ist notwendig für die Sicherheit der Besucher und um die Auswirkungen auf die Natur zu minimieren“, heißt es dazu in der Mitteilung.
Auch hinterfragten Touristen bereits die „Qualität“ des Begleitpersonals. Ein Reisender berichtete auf „Instagram“ von Reiseleitern, denen es schlichtweg an Kompetenz mangele. Die Reservatsverwaltung jedoch beteuert: „Jede Gruppe wird von einem qualifizierten Guide begleitet.“ Manch einer vermutet, dass Reiseveranstalter bei der Organisation einer Tour auch gleich die Abstellung eigener Begleiter mit berücksichtigen.
Andere Besucher Kamtschatkas erinnern sich noch gut daran, dass in den Sechziger- und Siebzigerjahren viele Touristen aus der ganzen Welt auf die Halbinsel kamen. Da allerdings damals dem Naturschutz – die Wege verliefen kreuz und quer durch die heutigen Biosphärenreservate – noch nicht allzu viel Gewicht beigemessen wurde, waren die Folgen am empfindlichen Ökosystem bald unübersehbar.
Es gibt dennoch Möglichkeiten, Kamtschatka erschwinglicher zu bereisen, wie die Reservatsverwaltung einräumt. Die Dörfer lassen sich von der Hauptstadt aus mit kostengünstigen Linienbussen erreichen, für Ausflüge stehen Geländewagen zur Verfügung. Darüber hinaus bieten sich Reisen in kleinen Gruppen an, um die Kosten für die Unterkunft zu minimieren, Einheimische wissen wo man am günstigsten logiert.
[mb/russland.REISEN]