Hundert Rubel für St. Petersburg

Hundert Rubel für St. PetersburgFoto: © Michael Barth

Wer Fassaden anschauen will, der solle dafür bezahlen, findet der Gouverneur St. Petersburgs, Alexander Beglow. Seine Vorstellungen sind durchaus moderat: Hundert Rubel pro Tag für jeden ausländischen Touristen. Das Geld soll ausschließlich für die Restaurierung ausgewählter Gebäude verwendet werden.

Schon lange diskutiert man in Russland darüber, wie man Touristen aus dem Ausland an den Kosten für die benötigte touristische Infrastruktur und den Erhalt der Sehenswürdigkeiten beteiligen könnte. Statt eines prozentualen Obolus in Form einer Kurtaxe schwebt dem amtierenden Stadtoberhaupt der russischen Kulturhauptstadt nun eine eher symbolische Abgabe vor, die helfen soll, die jährlich anfallenden Kosten zu decken.

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Es gleicht einer Milchmädchenrechnung, wenn Beglow rund vier Millionen ausländische Touristen mit je einhundert Rubel hochrechnet und dabei auf einen ansehnlichen Betrag von umgerechnet fast fünfeinhalb Millionen Euro für jeden von ihnen verbrachten Tag in „seiner“ Stadt kommt. Da diese Touristen im Schnitt meist drei Tage in St. Petersburg weilen, würde sich der einzunehmende Betrag dementsprechend vervielfachen.

Für und Wider einer Touristengebühr

Die vom Finanzministerium ins Leben gerufen Initiative, künftig eine Hotelsteuer in Höhe von zwei Prozent in die Abgabenordnung aufzunehmen, wurde zunächst nicht von allen Marktteilnehmern begrüßt. „Für chinesische Touristen, die jeden Rubel sparen, könnte diese zusätzliche Gebühr zusammen mit der geplanten Erhöhung der Mehrwertsteuer kritisch sein und sie werden woanders hinfahren“, befürchtet Wladimir Iwanow, der Direktor des St. Petersburger Hotels „Oktjabrskaja“.

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Die schärfste Kritik hagelte es laut dem Stadtportal „Fontanka.ru“ aus den Reihen der Russischen Union der Reiseindustrie selbst: „Warum sollte ein Tourist für Fassaden bezahlen?“ Demnach seien schon frühere Versuche, den Touristen eine Steuer auferlegen, nicht gerechtfertigt gewesen. „Ich denke, das die ist Aufgabe von St. Petersburg oder der Bundesbehörden“, wird die Sprecherin des Verbandes, Irina Tjurina von der Zeitung zitiert.

Der Generaldirektor der Agentur „Petrotur“, Igor Masulow schließt ebenfalls nicht aus, dass die Einführung einer Gebühr zu einem Rückgang des touristischen Verkehrs aus anderen Ländern führen werde, was das Geschäft der Gastunternehmen betrifft. „Kombiniert mit einer Mehrwertsteuererhöhung ist das gefährlich“, betont auch er. Nun versucht Beglow mit seiner Hundert-Rubel-Idee die Wogen zu glätten.

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„Einhundert Rubel pro Tag werden die Touristen nicht abschrecken. Dem Kunden kann erklärt werden, für was er bezahlt, kommentierte beispielsweise Junis Tejmurhanly, die Managerin des Hotels „Helvetia“ den Vorschlag des Gouverneurs. „Wenn damit das Budget aufgestockt wird, werde ich nichts dagegen unternehmen.“ Gleichzeitig, so die Hotelfachfrau, müssten jedoch vereinfachte Visa erteilt werden, wodurch der Touristenfluss erheblich gesteigert werden könnte.

Beitrag zum Erhalt des Kulturerbes

Auch der Direktor des Boutique-Hotels „Rossi Hotel & Spa“, Sergej Bulsow, zählt zu den Befürwortern. Seiner Meinung nach sei es für eine Hotelverwaltung einfacher, den festen Betrag von hundert Rubel statt der zuvor angebotenen zwei Prozent zu berechnen. Allerdings sollte die Höhe der Abgabe an den Komfort gebunden sein. „Für einen Kunden mit fünf Sternen sind hundert Rubel kaum spürbar, für einen Touristen aus dem Economy-Segment hingegen schon“, glaubt er.

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„Die Parameter der Gebühr müssen so gestaltet werden, dass die Entwicklung der Hotellerie unserer Stadt in keiner Weise beeinträchtigt wird und gleichzeitig zusätzliche Einnahmen für das Budget von St. Petersburg erzielt werden können“, erklärte Aleksej Korabelnikow, Vorsitzender des Finanzausschusses der Stadtregierung schon vor einem Jahr bei einem Treffen mit den Leitern der Tourismuskommissionen sowie Marktteilnehmern.

Der Beamte begründete die Notwendigkeit einer Touristengebühr damals mit der „beispiellosen Unsicherheit“ des städtischen Haushalts für 2019. Laut einer vorläufigen Liste zum Gesetz über den „Schutz des Kulturerbes in St. Petersburg“ genießen 255 Fassaden alleine im historischen Zentrum wegen ihrer komplexen, reichhaltigen Dekoration höchsten historischen und kulturellen Wert. Ihre Restaurierung wird mit 17 Milliarden Rubel, fast 250 Millionen Euro, beziffert.

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Wladimir Putin, der am Vergangenen Mittwoch von Beglows Vorschlag in Kenntnis gesetzt wurde, habe „nichts dagegen“, zitierte Fontanka den russischen Präsidenten. Schließlich ist der Vorstoß des St. Petersburger Gouverneurs nur ein weiteres Experiment bei der Diskussion um eine Resortgebühr, wie sie bereits seit Anfang des Jahres auf der Halbinsel Krim und in der Altairegion sowie in den Gebieten Krasnodar und Stawropol umgesetzt wird.

[mb/russland.REISEN]