Die Trolleybusse von Jalta

Die Trolleybusse von Jalta

Irgendwie gehören sie auf der Krim zum Alltag, wie die Sonne, der Wein und das Meer. Sie sind langsam, sie sind veraltet, sie sind laut und auf der Straße ein Hindernis – die Trolleybusse, die auf der Halbinsel seit Jahr und Tag ihre vorgezeichneten Bahnen ziehen.

Wen man auf der Ferienhalbinsel Krim einen Busfahrer auf einer klapprigen Metallleiter mit einer langen Stange in der Hand auf sein Busdach klettern sieht, dann weiß man sofort, dass sich wieder einmal der Stromabnehmer aus der Führung der Oberleitung ausgeklinkt hat. Manchmal sprühen dabei sogar ordentlich Funken, was bei einbrechender Dunkelheit eine besondere optische Wirkung erzielt. Dann ist der Stromabnehmer an einer Weiche auf die andere Leitung übergesprungen und hat einen Kurzschluss ausgelöst.

Ja, sie haben ihre Tücken, die Trolleybusse, die von den Straßen der Krim nicht wegzudenken sind. Vermutlich gibt es in fast jeder Familie, die seit den späten Fünfzigerjahren dort lebt, jemanden, der schon einmal Hand anlegen musste, um einen liegengebliebenen Oberleitungsbus entlang seines Weges zu schieben. Die Wege, um mit den Gefährten auszuweichen sind naturgemäß begrenzt. Die starre, etwa drei Meter lange, jedoch in ihrer Achse bewegliche Verbindung vom Busdach zum Drahtseil lässt keinen weiteren Radius zu.

Sowjetcharme auf der längsten Trolleybuslinie der Welt

Im Jahr 1959 wurde mit einer Linie von Simferopol, der Hauptstadt der autonomen Republik, durch die Berge in den Ferienort Aluschta das Prunkstück der Trolleybusflotte eingeweiht. Seit 1961 führt die Verlängerung der Strecke an der Schwarzmeerküste entlang sogar bis nach Jalta. Mit ihren sechsundachtzig Kilometern Länge ist sie auch heute noch die längste Oberleitungsbuslinie der Welt.

Eigentlich war ursprünglich geplant, auf der Strecke eine Eisenbahnlinie zu bauen, aber das Projekt war einfach nicht realisierbar. Die Überlegung war, bei Bachtschisaray einen Tunnel durch die Berge nach Jalta zu treiben und die Schienen von Sewastopol aus an der Küste entlang nach Jalta und weiter nach Aluschta zu verlegen. Die vor dem Ersten Weltkrieg begonnenen Arbeiten wurden später nie mehr aufgenommen, weil durch einen Erdrutsch in der Nähe von Bachtschisaray bedenkliche Bodenverschiebungen aufgetreten sind.

Wie es heißt, befördere die zuständige Gesellschaft „Krimtrolleybus“ zwar an die 45 Millionen Fahrgäste pro Jahr, die Kosten-Nutzen-Rechnung der Überlandfahrten geht aber dennoch nicht auf, da Rentner, Veteranen, Militärangehörige und weitere Personengruppen ermäßigt bis ganz umsonst transportiert werden. Die meisten Passagiere weichen heute ohnehin auf die deutlich schnelleren Fernbusse aus. So wundert es nicht, dass den O-Bussen ebenso wie ihrer dazugehörigen Infrastruktur ein gewisser Sowjetcharme anhaftet.

Oberleitungsbusse als großes Verkehrshindernis

Im Jahr 2009 wurde die Gesellschaft de facto für Bankrott erklärt, worauf hin vier Streckennetze geschlossen wurden, um zumindest den Fortbestand der Überlandlinie aufrecht zu erhalten. Als auf der Krim 2014 über Nacht wieder die russische Fahne wehte, wurden in aller gebotenen Eile fünf Trolleybusse aus verschiedenen Städten Russlands auf die Krim gebracht. Wenn man so will, als Übergangslösung, bis schließlich im Jahr 2016 vierzehn nigelnagelneue Niederflurbusse vom Typ SVARZ-MAZ-6275 ausgeliefert werden konnten.

Inzwischen sind wieder 185 Fahrzeuge für die Gesellschaft „Krimtrolleybus“ auf den Straßen der Halbinsel unterwegs. Zweiundsiebzig von ihnen stammen noch aus der sowjetischen Epoche von 1974 bis 1990. Sie stellen fast vierzig Prozent des gesamten Fuhrparks der Gesellschaft. Der älteste Arbeitswagen hat mittlerweile sage und schreibe zweiundvierzig Jahre auf dem Buckel. Nun denkt man bei den Verantwortlichen zusammen mit den Behörden darüber nach, wie man die Infrastruktur des Streckenbetriebes modernisieren könnte.

„Heutzutage ist ein O-Bus auf der Straße von Simferopol nach Jalta ein großes Problem, denn er beeinträchtigt den gesamten Verkehr, den er hinter sich herzieht“, sagte Andrej Besalow, der Verkehrsminister der Republik, am Rande eines „Krim-Transport“-Forums vor kurzem.

Und das sicherlich nicht alleine deshalb, weil der Fahrer des Busses den Preis für die Fahrkarten erst umständlich ausrechnen und diese daraufhin aushändigen muss, da sie nicht an den üblichen Verkaufsstellen im Voraus erworben werden können.

Rundumerneuerung des Streckenbetriebs

„Wir haben vor, die Kontaktnetze auf den neuesten Stand zu bringen und dadurch die Durchschnittsgeschwindigkeit von Oberleitungsbussen auf bis zu neunzig Stundenkilometern zu erhöhen“, erklärte Besalow gegenüber der Nachrichtenagentur „Tass“. „Es werden dabei Entwurfslösungen zum Einsatz kommen, wie sie bereits für elektrische Züge verwendet werden“, so der Minister. Als zeitlicher Rahmen für den Wiederaufbau der Netze seien zunächst fünf Jahre geplant, heißt es beim zuständigen Ministerium.

Obgleich es definitiv nicht die schnellste Möglichkeit ist, von der Hauptstadt ans Meer zu kommen, sollten Sie sich das Vergnügen der längsten Trolleybuslinie der Welt jedoch zumindest einmal während eines Krimaufenthalts gönnen, sofern Sie es nicht ohnehin schon längst getan haben. Für die rund zweieinhalbstündige Fahrt bezahlt man beim Fahrer des Busses ab oder zu der Busstation am Hauptbahnhof Simferopol 140 Rubel, das entspricht knapp zwei Euro. Dafür bekommt man mit zehn aneinandergereihten Einzelfahrscheinen auch das vermutlich längste Busticket der Welt.

Foto: © Michael Barth

Gemächlich fährt der Trolleybus dann die Serpentinen bei einer maximalen Steigung von neun Prozent über den rund 750 Meter über dem Meer gelegenen Anharsky-Pass durch die atemberaubende Landschaft des Krimgebirges. Die Sommermonate über fahren die Oberleitungsbusse regelmäßig im Zwanzigminutentakt. Halten Sie während der Fahrt ein Pläuschchen mit den Nachbarn oder schauen Sie einfach nur aus dem Fenster – Sie werden es nicht bereuen.

[mb/russland.REISEN]