Die sagenhaften Schätze St. Petersburgs

Die sagenhaften Schätze St. PetersburgsFoto: © Michael Barth

Die Bezeichnung Sagenhaft darf hier ruhig wörtlich genommen werden. Denn anders als die Schätze, die in den verschiedensten Museen den Blicken der Öffentlichkeit preisgegeben sind, gibt es in St. Petersburg alten Legenden zufolge verborgene Kleinode, die noch nie ein Mensch zu Gesicht bekam – und vermutlich auch nie wird.

So manche Schätze harren in ihren Verstecken, um erst nach Jahrhunderten, oft rein zufällig, entdeckt zu werden. Andere Pretiosen hingegen sind so gut versteckt, dass man davon ausgehen darf, dass sie so gut wie niemals entdeckt werden können. Und zu guter Letzt gibt es Kostbarkeiten, von denen niemand weiß, ob es sie überhaupt existieren, obwohl überlieferte Geschichten von ihnen erzählen.

Brückenbau und Schmiedekunst

Die Zahl der Menschen, die täglich die Bolscheochtinski-Brücke über die Newa in beide Richtungen passieren, geht in die Hunderttausende. Für die einzelnen Nieten, die das Stahlgerippe zusammenhalten, haben die Passanten verständlicherweise kein Auge übrig. Vielleicht würde sich aber genau das lohnen, denn angeblich haben die Brückenbauer der ehemals „Brücke des Zaren Peter der Großen“ genannten Konstruktion zu Ehren des zweihundertsten Jahrestags der Schlacht von Poltawa, eine Niete aus Gold gesetzt.

Nun sei aber, so heißt es zumindest, jener Bolzen einfach bei den damaligen Arbeiten, die von 1909 bis 1911 andauerten, mit überlackiert worden. So wahrt die Bolscheochtinski-Brücke, die das Zentrum der Stadt unweit des Smolny mit dem Stadtteil Ochta verbindet, bis heute ihr Geheimnis.

Foto: © Michael Barth

Auch der Zaun des Sommergartens, im Grunde genommen schon eine Kostbarkeit der Schmiedekunst für sich, ist von der Legende umrankt, dass sich unter der schützenden Farbschicht pures Gold befände. Die von Katharina der Großen in Auftrag gegebene und 1784 nach Plänen von J. Felten fertig gestellte Einfriedung wurde daher schon mehrfach Objekt von Spekulationen. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts versuchten US-amerikanische Geschäftsleute sogar, dieses Gitter käuflich zu erwerben.

Hundert Lokomotiven für einen Gartenzaun

Man muss es der seinerzeit jungen Sowjetunion hoch anrechnen, dass sie der Verlockung widerstehen konnte und das Kunstwerk nicht den Besitzer wechselte, obwohl der gebotene Preis für damalige Verhältnisse exorbitant erscheinen musste. Sage und Schreibe einhundert Lokomotiven, so sagt man, hätten die US-Amerikaner für den Deal springen lassen. Stattdessen umschließt der Zaun noch heute eine der prächtigsten Gartenanlagen des Barock beim Sommerpalast Peters des Großen.

Dass bei der Grundsteinlegung zum Bau der alten Börse Barren aus purem Gold mit ins Erdreich verbracht wurden, muss dagegen nicht einmal eine Legende sein. Die höhere Gesellschaft war in den Zeiten, in denen das Gebäude errichtet wurde, äußerst anfällig für einen Mystizismus, der sich in denTraditionen der Baumeister der Kathedralen des Mittelalters begründete. So scheint es nicht verwunderlich, dass gewisse Rituale während des Baus symbolisch für erfolgreiche Transaktionen und gutes Einkommen sorgen sollten.

Den genauen Ort, an dem das Gold in der Erde liegen soll, vermag inzwischen jedoch niemand mehr zu benennen und so schlummert der vermeintliche Schatz noch immer unter dem späteren Marinemuseum an der Spitze der Wassilewskj-Insel.

Stöpsel für ein Ölfeld

Jedoch, es ist nicht alles Gold was glänzt. Einer weiteren Sage zufolge sei die Alexandersäule, die die Mitte des Schlossplatzes beherrscht, der Verschluss eines prall gefüllten Erdölfeldes. Eine angebliche Expertise aus der Zeit der Errichtung des Monuments in den frühen Dreißigerjahren des neunzehnten Jahrhunderts, besagt, dass es reichhaltige Erdölvorkommen im Gebiet St. Petersburgs gäbe. Im Bereich des Schlossplatzes kämen diese der Oberfläche so nahe, dass sie jederzeit hervorsprudeln könnten.

Foto: © Michael Barth

Demnach sei die genaue Position der Säule so austariert worden, dass das schwarze Gold durch sie im Erdreich bliebe. Schenkt man dieser Legende Glauben, so kommt man zu dem Schluss, dass das fast fünfzig Meter hohe Denkmal nicht nur an den gewonnenen Krieg Alexanders des Ersten gegen das napoleonische Frankreich erinnert, sondern auch als Korken dient.

Vielleicht haben diese Zeilen den einen oder anderen nun angeregt, beim nächsten Besuch der Kunst- und Kulturhauptstadt in Russlands Norden einmal genauer hinzusehen. Jedoch sei tunlichst davon abgeraten, nun an irgendwelchen Gittern zu kratzen. Die Chancen wirklich verborgene Schätze zu finden stehen äußerst gering – und ist nicht die wahre Kostbarkeit der Sagenschatz an sich?

[mb/russland.REISEN]