Für die allermeisten der Schaulustigen, die auf dem Bahnhof in Sotschi auf ihn warteten, wird er für immer ein unerfüllbarer Traum bleiben. Für die handverlesenen Fahrgäste, die am Schwarzen Meer jener Legende auf Schienen entstiegen, dagegen ein unvergessliches Erlebnis. Der„Goldene Adler“ ist weit mehr als nur ein Transportmittel.
Sotschi war im Herbst eine der jüngsten Stationen des Retro-Zuges, der mitunter auch gerne als „Kreuzfahrtzug“ bezeichnet wird, was seiner eigentlichen Bestimmung sicherlich am ehesten gleichkommt. Während die Nächte auf der Fahrt im Zug verbracht werden, beginnt am darauffolgenden Morgen das Sightseeing-Programm mit geführten Ausflügen in die jeweiligen Städte und das Hinterland entlang der Fahrtstrecke.
Vor elf Jahren, im Jahr 2007, begab sich der „Goldene Adler“ auf seine Jungfernfahrt von Moskau nach Wladiwostok. Rund fünfundzwanzig Millionen US-Dollar, so schätzt man hinter vorgehaltener Hand, soll die Russische Eisenbahn in das Projekt mit dem elitären Touristenzug gesteckt haben. Bereits 2016 hätten sich die nicht unerheblichen Investitionskosten bereits amortisiert, heißt es.
Eines der teuersten Projekte der Russischen Eisenbahn
Zunächst wurde dieses Hotel auf Rädern ausschließlich für Touristen aus dem Ausland konzipiert. Seit 2013 jedoch nimmt der „Goldene Adler“ auch zahlungskräftige Russen mit auf seine Reisen. Allerdings müssen die Fahrgäste mindestens etwa 20.000 Euro für die zweiwöchige Fahrt von der Hauptstadt an den Pazifischen Ozean rechnen. Dafür sind die Ausflüge im Preis inbegriffen und die Reisenden werden unterwegs in Regionen gebracht, die von der Eisenbahn normalerweise nicht angefahren werden.
Im Inneren des Zuges stehen für die Passagiere Hausschuhe, Bademäntel und Pflegeprodukte bereit. Man reist komfortabel in geräumigen Zweisitzer-Abteilen, ausgestattet mit einem Fernsehgerät und WLAN sowie einer Duschkabine mit eigenem WC. Bucht man statt der „Silberklasse“ die „Goldklasse“,misst das Abteil nicht fünfeinhalb, sondern sieben Quadratmeter und das Badezimmer ist beheizt. Zudem kommt man in den Genuss einer Fußbodenheizung.
Normalerweise besteht der Zug aus zwanzig Waggons und bietet bis zu einhundert Fahrgästen Platz. Für den Service der Reisenden sind zwei Speisewagen angehängt, deren Restaurants Gerichte der nationalen Küche servieren. Außerdem gibt es die obligatorische Bar, eine Ladenzeile, eine Arztpraxis und sogar einen Friseursalon an Bord. An jedem Bahnhof werden die Passagiere, im Schnitt um die sechzig Jahre alt, zudem mit Champagner und Orchester empfangen.
Die First Class-Kreuzfahrt auf der Schiene
Der „Goldene Adler“ ist wahrhaftig kein regulärer Zug. Während der Reise studieren die Passagiere gemeinsam mit den Mitarbeitern beliebte russische Redewendungen und Lieder ein und am Ende singt man gemeinsam „Kalinka“. Anfänglich befuhr der Zug zweimal im Jahr die Strecke von Moskau nach Wladiwostok. Später wurde das Reiseziel um den Schienenweg Moskau nach Teheran erweitert. Inzwischen haben die Bahnfahrten eher den Charakter von Studienreisen.
Auf dieser Route folgt der Zug den Städten entlang der Seidenstraße und dem Herrschaftsgebiet des alten Persiens. Der Express durchquert das Territorium Russlands,Kasachstans, Usbekistans, Turkmenistans und beendet seine Fahrt in der iranischen Hauptstadt Teheran. Im Oktober 2018 fand die erste Tour durch Abchasien mit Ziel Nowy Afon oder auch Neu-Athos, statt.Diese siebentägige Tour wurde laut der Russischen Eisenbahn auf Wunsch der Touristen ins Programm aufgenommen.
Auf dieser ersten Fahrt nach Abchasien kamen mehr als siebzig Touristen aus dreizehn verschiedenen Ländern zusammen. Der „Goldene Adler“ passierte Astrachan, Grosny, Tuapse und Sotschi, um dann seine Fahrt bis zum Zielort entlang der Küste südlich des Kaukasus fortzusetzen. Die Touristen aus dem Ausland waren Medienberichten zufolge vom Charme der restaurierten Dampflokomotive, die die Waggons während der Reise zieht, äußerst angetan.
[mb/russland.REISEN]