Das Kaffeehaussterben in St. Petersburg

Das Kaffeehaussterben in St. PetersburgFoto: © Michael Barth

Droht der russischen Kulturhauptstadt eine massive Schließung ihrer Kaffeehäuser? Laut Meinung von Experten, habe sich der Markt drastisch verändert – statt beschaulicher Mokkaoasen sprießen in St. Petersburg heute Schnellimbisse wie Pilze aus dem Boden.

Im Jahr 2019 könnten in St. Petersburg die meisten Kaffeehäuser schließen, befürchten Experten der russischen Akademie der Wissenschaften. Zwar sei das Jahr 2018 für gastronomische Einrichtungen in der Stadt günstig gewesen, jedoch habe dies lediglich an der Fußball-Weltmeisterschaft gelegen, so das fatale Ergebnis einer Studie.

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Insgesamt wurden im vergangenen Jahr in St. Petersburg 400 neue Einrichtungen eröffnet, von denen mehr als 300 bereits wieder geschlossen wurden. Kenner der Branche zeigen sich besorgt, dass gerade Restaurants der Premiumklasse am häufigsten ihren Standort an der Newa verlassen. Im Gegenzug steigt dafür die Zahl der Budget-Betriebe, die Döner und Burger anbieten, heißt es in dem Bericht.

Lieber im Café als in der Dönerbude

„Im vergangenen Jahr wurde in der Stadt kein einziges Premium-Restaurant oder Club eröffnet. Es sticht ins Auge, dass die meisten neuen Projekte dem Segment der Low-Budget-Betriebe zuzurechnen sind“, klagt Jekaterina Lapina, die Direktorin der Akademie. Die Immobilienmakler der Stadt prognostizierten die Schließung von Cafés im großen Stil bereits seit längerem.

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Als Argument führten sie das Beispiel einer Coffeehouse-Kette an, die kürzlich die meisten ihrer Betriebe in St. Petersburg geschlossen hat. Die Makler befürchten zudem, dass die letzten zehn Jahre der Krise für die Eigentümer der zwischen 2000 und 2008 eröffneten Betriebe besonders schwierig waren und dass sie aufgrund von Änderungen der Gesetze zur Ansiedlung von Catering-Betrieben möglicherweise ganz aufgeben werden.

Die Bewohner der einstigen Zarenstadt fürchten um den Verlust eines weiteren Stücks Kultur in ihrer Stadt. Laut der Umfrage der Dating-Agentur „Mamba“ könnten sich beispielsweise weit mehr als die Hälfte aller Befragten keinen geeigneteren Ort für ein Treffen vorstellen, als ein romantisches Café. „Eine Tasse Kaffee ist die beste und günstigste Variante für ein Date, kein Restaurant, sondern nur ein Café“, sagt ein Nutzer des Dienstes.

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„Ich gehe lieber in kleinen Cafés aus“, so ein anderer Nutzer. „In den großen Cafés oder gar bei ‚McDonalds‘ oder ähnlich lauten Orten gibt es keine Intimität und es kann keine Atmosphäre aufkommen“, erklärt er seinen Standpunkt bei der Umfrage. Während die älteren St. Petersburgern offenbar den Weg in ein beschauliches Kaffeehaus abseits des Newski Prospekts suchen, trifft sich die jüngere Generation allerdings doch eher in der angesagten Rubinstein-Straße.

Von den Abermillionen Touristen dürften ohnehin die wenigsten etwas davon mitbekommen. Der morgendliche Kaffee oder Tee ist meist bei der Unterkunft gesichert und der „Kaffee to go“ ist mittlerweile in St. Petersburg genauso selbstverständlich, wie in jeder anderen Großstadt dieser Welt auch. Sie werden lediglich, ohne es zu wissen, um ein Stück St. Petersburger Lebensart beraubt.

[mb/russland.REISEN]